Forscher rekonstruierten drei Umbrüche in Afrika, denen vor Millionen Jahren viele Arten zum Opfer fielen. Auch Vorläufer des Menschen.

Potsdam. Umbrüche im Klimasystem könnten die Evolution des Menschen entscheidend geprägt haben. Das legen Auswertungen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) von Millionen Jahre alten Meeressedimenten vor den Küsten Afrikas nahe. "Wir waren überrascht, welch starke Wirkungen zum Beispiel die nördliche Verdriftung der südostasiatischen Insel Neuguinea für das Klima in Afrika hatte. Das deutet darauf hin, dass die aktuell im Zusammenhang mit dem Klimawandel diskutierten Kipppunkte gravierendere Folgen haben könnten als bisher befürchtet", sagt Prof. Jürgen Kurths, Leiter des Forschungsteams, das die Daten auswertete.

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Kipppunkte bezeichnen instabile Zustände, bei denen sich Teile des Weltklimas plötzlich verändern. Zu den möglichen Auslösern zählen unter anderem das Abschmelzen der Polkappen und der Himalaja-Gletscher, auftauende Permafrostböden oder das Austrocknen des amazonischen Regenwaldes. "Wir wissen nicht, wie weit wir weg sind von diesen Kipppunkten", sagt Kurths, "aber die Auswirkungen könnten angesichts des inzwischen dicht bevölkerten Planeten weit folgenreicher sein als damals vor Millionen Jahren."

Drei plötzliche Klimaänderungen in Afrika machten die PIK-Forscher aus. Sie nutzten Daten anderer Forschergruppen, die im Meer vor Mauretanien, im östlichen Mittelmeer und im Arabischen Meer Bodenproben genommen hatten, die bis zu fünf Millionen Jahre zurückreichten. Die Kollegen hatten die einzelnen Sedimentschichten, die sich aus afrikanischem Wüstenstaub gebildet hatten, datiert.

Mithilfe von speziellen Analysemethoden zogen die PIK-Forscher daraus Rückschlüsse auf Klimaveränderungen in Afrika, wo die Wiege der Menschheit stand. Kurths: "Die Dicke der einzelnen Sedimentschichten sagt etwas aus über Windverhältnisse und Niederschläge. So wird bei starkem Wind mehr Staub ins Meer geweht, bei starken Niederschlägen mehr Staub über dem Land ausgewaschen." Jedoch konnten die Forscher keine direkten Schlüsse ziehen. Ihre Arbeit gleiche der Kriminalistik, sagt Kurths: "Wir stellen die Daten in einen größeren Kontext und erhalten so ein recht gutes Bild der Klimageschichte."

Der älteste Umbruch vor etwa 3,2 Millionen Jahren war erst eine sehr starke Abkühlung, gefolgt von einer sehr viel wärmeren Periode. Diese fiel in eine Zeit, in der Nord- und Südamerika zusammenwuchsen und sich die Insel Neuguinea nach Norden verschob. Letzteres habe großen Einfluss auf das afrikanische Klima gehabt, so Kurths: "Durch die Verschiebung gelangte weniger warmes Pazifikwasser an die Ostküste Afrikas, dafür mehr kälteres, salzärmeres."

Umbruch Nummer zwei ereignete sich vor etwa zwei Millionen Jahren. Damals änderte sich eine großräumige Zirkulation in der Atmosphäre, die sogenannte Walker-Zirkulation, die mit dem Klimaphänomen El Niño zusammenhängt. Sie habe den Monsun beeinflusst, was Folgen für die Niederschläge in Ostafrika gehabt habe, so Kurths. Der dritte Umbruch geschah vor etwa einer Million Jahre; damals verlängerten sich die Zyklen, in denen Eiszeiten auftraten, von 41 000 auf 100 000 Jahre, das Klima wurde also stabiler.

Jeder dieser Umbrüche habe die Durchschnittstemperaturen und die Niederschlagsverteilung in Afrika verändert, sagt Kurths. Darauf reagierten die Pflanzen- und Tierwelt. Arten, für die die neuen Bedingungen vorteilhafter waren oder die sich schnell an den Wandel anpassen konnten, breiteten sich aus. Auf der Strecke blieben vor allem Spezialisten.

Ähnliches habe auch für die Vormenschen gegolten, so Kurths: "Das Nahrungsangebot änderte sich, es mussten weitere Wege gegangen werden. Und eine mittlere Temperaturdifferenz von plus/minus zwei bis vier Grad bedeutete sehr viel höhere einzelne Ausschläge mit entsprechenden Belastungen für die Vormenschen. Die stärker spezialisierten Gruppen Australopithecus und Paranthropus starben aus. Der Generalist Homo hatte im schwankenden Klima bessere Chancen. Aus ihm entwickelte sich der Homo sapiens, der heutige Mensch."

Vor Millionen Jahren habe sich das Klima über 10 000 Jahre hinweg geändert, betont Kurths. Und auch die Menschwerdung benötigte solche Zeiträume. Kurths: "Heute vollzieht sich der Wandel viel schneller, möglicherweise innerhalb eines einzigen Jahrhunderts. Biologisch betrachtet haben wir gar nicht die Zeit, uns an die geänderten Verhältnisse anzupassen."