Andreas Jackel tritt vor Kindern und Demenzkranken als Clown auf. Für die Jungen ist er Jacki, für die Alten ist er Lucky.

Hamburg. Ein komischer Kerl. Die Kinder zeigen mit den Fingern auf ihn und lachen. Der komische Kerl trägt an diesem Freitagmorgen einen grünen Hut, ein rotes T-Shirt, darüber einen langen grünen Kunstpelzmantel, eine gelbe Hose und Ringelsocken. Und eine rote Pappnase.

"Ich bin Jacki, der Ernährungs-clown", ruft er und betritt die Bühne im Musikraum der Rahlstedter Ganztagsschule am Großlohering. Die Kinder, um die fünf Jahre alt, schauen verwirrt. Ernährungsclown? Jacki versucht sich zu erklären: "Ich bin der Clown fürs Essen."

Heute geht es um "Upsala", kräht der Clown. Hä? "Ach, ich meine Obstsalat", sagt er. Und für den Obstsalat brauche er Hilfe von seiner Freundin Bella. "Bella! Bella!", schreien die Kinder. "Bella! Bella!", ruft Jacki und holt eine gelbe Handpuppe aus den Kulissen. Bella sitzt auf seinem rechten Arm. Jacki öffnet einen Koffer voller Früchte, Bella greift hinein. Die Kinder rufen die Namen der Früchte: "Ananas!" - "Orange!" - "Birne!" - "Kiwi!" Plötzlich hat Jacki einen Bund Weintrauben in der Hand und fängt an zu schluchzen. "Da muss man doch gar nicht weinen", rufen die Kinder, "nur beim Zwiebelschneiden!" Ob Kinder denn Wein trinken dürfen, fragt der Clown. "Nein, weil wir klein sind und dann besoffen werden!", schallt es zurück. Zeit für eine Zaubereinlage: Jacki packt alle Früchte in seinen Hut, die Kinder müssen die Augen schließen, und als sie sie wieder öffnen, hat Jacki eine große Schüssel Obstsalat in seinem grünen Hut. "Wollt ihr alle Obstsalat?" Die Vorschulkinder wollen. Zum Abschied dürfen sie Bella noch die Pfote schütteln. Der Clown ist zufrieden. Das wird sich gleich ändern.

Beim zweiten Auftritt an diesem Morgen steht der Ernährungsclown vor zwei ersten Schulklassen. Wieder will Jacki "Upsala" machen. Aber die Kinder durchschauen ihn sofort. "Obstsalat heißt das!", brüllen sie. Die Früchte kennen sie, und der Gag mit dem Zauberhut funktioniert nicht, weil viele Kinder ihre Augen nicht zumachen. "Das hast du schon vorbereitet!", schreien sie. Kinder können grausam sein. Fabienne, 6, läuft zu ihrem Lehrer und teilt ihm mit: "Das ist langweilig." Die ersten Kinder rufen: "Ich muss mal." Jacki verteilt trotzdem den Obstsalat. Aber er, Bella und die Lehrer haben die Veranstaltung schon längst nicht mehr im Griff. Einige Kinder schmeißen den Obstsalat in den Mülleimer, andere werfen mit den Obststücken herum. Mahmut, 6, schaut dem Clown mit stechendem Blick ins Gesicht. "Deine Nase ist nicht echt!", ruft er schließlich und verlässt empört den Saal. Nur wenige Kinder legen noch Wert darauf, Bella zum Abschied die Pfote zu schütteln. Das Leben eines Clowns ist manchmal hart.

Ein paar Tage später sitzt Andreas Jackel in einem Café vor einem Becher Pfefferminztee und einem Stück Kuchen. Im richtigen Leben trägt er eine Brille mit schwarzem Rand. Die längeren grauen Haare, die er sonst mit seinem grünen Hut verdeckt, fallen jetzt erst auf, auch seine hohe Stirn mit den Sorgenfalten. Er ist blass, hat zarte, kleine Hände, sie wirken fast zerbrechlich. Auf Fragen kommt seine Antwort oft verzögert. Manchmal irritieren seine Worte: "Ich würde schon sagen, dass ich ein Selbstdarsteller bin." Nicht als Andreas Jackel. Sondern als Clown, in seinem auffälligen Kostüm, das ihm seine Schwester genäht hat.

In der Schule sei er nicht der Klassenclown gewesen, sagt er. Andere Jungs machten die Witze, über die alle lachten. Andreas wurde gehänselt, weil er so klein war. Nach dem Schulabschluss begann er eine Lehre als Koch. Aber als Koch arbeiten wollte er nicht. So studierte er Ökotrophologie, Ernährungswissenschaften. Ernährungsberater wollte er nicht werden. Deshalb jobbte er in einem Sicherheitsunternehmen und bewachte die Hamburger Messe. Das war auch nichts für ihn. Er wurde arbeitslos.

Seine Leidenschaft ist das Fotografieren. In einem Fotokursus sollten sich die Teilnehmer gegenseitig porträtieren, und das war sein Glück. "Ich möchte dich als Clown fotografieren", sagte eine Frau zu ihm. Das war vor drei Jahren. Seither ist Andreas Jackel, 45, aus Barmbek von Beruf Clown. "Wahrscheinlich hat der Clown schon länger in mir geschlummert", sagt er.

Damals hat er eine Beraterin aufgesucht, die sich auskennt mit Firmengründungen. Sie hat ihm gesagt, dass er die Ökotrophologie nutzen sollte, das würde Eindruck machen bei Lehrern und Eltern. Das Thema Ernährung komme bei denen ja immer gut an. Und so wurde er Jacki, der Ernährungsclown.

Erzieher und Eltern würden immer anspruchsvoller, beklagt er. Sie verlangten vom Clown inzwischen, dass er ihre Aufgaben übernimmt: Erziehung und Lehre. Doch soll ein Clown nicht einfach nur Spaß verbreiten und gute Laune? "Meiner Meinung nach schon", sagt Andreas Jackel.

Eine Erzieherin wollte ihn neulich dazu zwingen, dass er mit einer Tafel Schokolade vor die Kinder tritt und sagt: Die esst ihr bitte nicht! "Dabei will ich ihnen doch nur sagen, wie toll Obst schmeckt", sagt Jackel. Ohnehin: Das Wort Ernährungsclown findet er doof. Essen habe doch was mit Genuss zu tun. "Aber Schlemmerclown?", fragt er und gibt die Antwort selbst, "das ist es auch nicht. Nee." Es würden einfach zu viele Erwartungen in den Clown reingepresst. Auch die Kinder seien immer skeptischer. "Du bist gar nicht lustig!", hätten sie letztens zu ihm gesagt. "Klar, bin ich auch eine Angriffsfläche", sagt er. Aber das Scheitern gehöre zum Clown dazu. Ohnehin könne ein Clown nur vor Kindern bis zehn Jahren auftreten. "Später wollen die einfach keinen Clown mehr."

180 Euro hat er für den Doppelauftritt an der Rahlstedter Schule erhalten. Das Interesse anderer Schulen sei gering. "Es läuft nicht so gut", gibt er zu. Jackel ist zwar nicht mehr arbeitslos, seine Gagen reichen aber nicht zum Leben. Deshalb muss der Staat sein Gehalt aufstocken. Aufgeben will er nicht. Jetzt, wo er seinen Auftrittshorizont erweitert hat.

Ein Montagmorgen in Langenhorn. Auf der Mitarbeitertoilette einer Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz verwandelt sich Andreas Jackel jetzt in Lucky, den Seniorenclown. Jacki und Lucky, das sind unterschiedliche Clowns, sagt er. Jacki sei ein lauter Clown. Lucky eher ein leiser. In Hamburg leben 25 000 Demente, im Jahr 2025 werden es 31 200 sein. Viel Arbeit für den Seniorenclown Lucky.

Die WG der Martha-Stiftung hat ihn vor einem Jahr angefragt, wenig später hatte er hier seinen ersten Auftritt. Jackel hat Bücher über Demenz gelesen. Sein Slogan heißt jetzt: "Spielerisch Lebensgeister wecken". Die Bewohner der WG haben Demenz, meist Alzheimer, die häufigste Form. Einige können noch Unterhaltungen führen, andere sprechen kaum. Manche wissen nicht, wo sie sind. Zweimal in der Woche kommt der Clown, pro Auftritt gibt es 50 Euro.

Lucky watschelt auf die 98-jährige Herta zu. "Guten Morgen!" Sie antwortet: "Guten Morgen! Sei mal friedlich!" Herta hat heute offensichtlich einen guten Tag. Gestern war sie nicht so gut drauf, sie hat ihrer Pflegerin die Lippe blutig getreten, weil sie sich nicht pflegen lassen wollte. An anderen Tagen schläft sie nur. Jetzt greift sie beherzt in Luckys rote Nase und kichert.

Lucky wendet sich den anderen Bewohnern zu. "Ich bin der Weihnachtsmann", sagt er. Wolfgang, 84, einziger Mann in der WG, schüttelt den Kopf: "Das weiß ich schon von vornherein, dass du nicht der Weihnachtsmann bist", grummelt er. Durch bewusst falsche Bezeichnungen möchte Jackel erreichen, dass die alten Menschen ihr Gedächtnis trainieren.

"Soll ich meine Puppe Bella holen?", fragt der Clown. "Wenn du damit nicht überfordert bist", zischt die 83-jährige Thekla. Als Lucky mit der gelben Puppe zurückkommt, ruft Herta: "Albert!" Lucky ist verwirrt. "Aber ich heiße doch nicht Albert", sagt er. "Haste das noch gar nicht gewusst? Dann weißt's jetzt", gibt ihm Herta Bescheid. - "Aha. Und wie heißt du? Herta?" - "Nein." - "Wie denn?" - "Posemuckel."

Während Herta ihren Spaß hat, sitzt die 83-jährige Christel abwesend auf ihrem Stuhl. Ihr Blick geht ins Leere. "Christel?", Lucky spricht jetzt sehr leise. Christel reagiert nicht. Er lässt seine Puppe Bella sprechen. "Darf ich auf deinen Schoß?" Jetzt reagiert Christel. "Ja", sagt sie. Sie nimmt die Puppe an sich, streichelt sie. "Dudududu", sagt die alte Frau. Sie kichert, küsst die Puppe. "Du bist ja noch so klein." Sie summt ein Lied, es hört sich an wie ein Kinderlied aus längst vergangener Zeit. "Das ist aber schön", sagt Christel. Sie wiegt Bella jetzt wie ein Baby. Irgendetwas aus ihrem Leben vor dem Vergessen hat der Clown zurückgeholt.

Lucky merkt plötzlich, dass sowohl die 91-jährige Gisela als auch die 88-jährige Lotte eingenickt sind. Er nimmt seinen Hut ab und holt daraus Bälle hervor. Einen rollt er über den Tisch zu Gisela. Bis zu diesem Moment saß sie teilnahmslos da, jetzt schnellt ihr Arm vor, die Hand hält den Ball auf und rollt ihn zu Wolfgang. Die beiden spielen miteinander. Der Clown hat herausgefunden, dass er über das Ballspiel einen Zugang zu den beiden bekommt. "Senioren-Billard" nennt er das Spiel. Gisela hat einen Smiley auf einem der Bälle entdeckt. Sie betrachtet den Ball und sagt: "Du lachst so schön." Sie lächelt, zum ersten Mal an diesem Morgen.

Andreas Jackel sagt nach diesem Auftritt, dass er glücklich sei mit seinem Job. Clown sei sein Traumberuf. Obwohl er an Schulen immer weniger gefragt sei, möchte er weiter Kinder zum Lachen bringen. Er sagt, dass er von den Kindern mehr zurückbekommt, während er den Dementen vor allem Impulse gibt. Aber es gebe auch Gemeinsames: "Beide spielen gerne", sagt er. "Kinder und Demente sagen, ob sie jemanden mögen oder nicht. Dieses Unverfälschte gefällt mir. Das vermisse ich im richtigen Leben."

Er denkt gerne nach und träumt. "Ich habe schon einen Hang zur Melancholie." Manchmal ist er auch ein trauriger Clown. Eine Freundin hat er nicht. "Ich suche", sagt er und lächelt verlegen. In den vergangenen drei Jahren hatte er eine, seine Erste: "Ich bin auch in dieser Hinsicht ein Spätzünder." Sie habe wie er als Clown gearbeitet, aber nun sei es eben vorbei.

Vor Kurzem, sagt Andreas Jackel, sei wieder eine Frau an ihm interessiert gewesen. Leider wurde nichts draus. Weil sie nur den Clown in ihm sah.

Jacki, der Ernährungsclown, tritt am Sonntag, 11. Dezember, um 15 Uhr im "Zwischenraum", Müggenkampstraße 45, in Eimsbüttel auf. Eintritt: 4 Euro