Er gehört nicht zu den üblichen Verdächtigen. Keine der "lebenden Statuen", die sich an Barcelonas Ramblas von morgens bis abends aufreihen. Nein, kein schießender Cowboy, keine goldgelackte Marie, kein gelangweilter Zeitungsleser auf dem Klo (mit heruntergelassener Hose natürlich). Nein, dieser hier ist ein ganz einfacher Clown. Doch schon an seiner Aufmachung ist zu erkennen, dass er seinen Beruf ernster nimmt als die ganzen goldbesprühten Gesamtkunstwerke rechts und links. Das Gesicht dezent weiß, die Backen rötlich, aber kaum auffallend, sodass das hübsche Gesicht darunter deutlich zu erkennen ist. Es hat mindestens eine androgyne, wenn nicht gar feminine Anmutung.

Die hellgrauen Kontaktlinsen und die getuschten Wimpern verstärken diesen Eindruck. Insgesamt ist es ein sehr sympathischer Clown, mit einem Gürtel aus bunten Garnrollen. Umgarnen kann er sein Publikum, am liebsten kleine Kinder, mit verschiedenen Tassen, Untertassen und einer altmodischen Teekanne, aus der er freigiebig und mit Schwung einschenkt. Der erste Teegast, ein kleines, schwarz gelocktes Mädchen, lässt sich von ihm anzwinkern und stellt sich keck neben ihn. Den pantomimisch angebotenen Tee, eingeschenkt in die Kindertasse, leert sie mit abgespreiztem kleinem Finger, so wie er es vormacht.

Ebenso wenig Angst hat sie vor dem zur Verabschiedung gefragten Kuss auf die weißgeschminkte Wange. Ihr größerer Bruder will natürlich nicht nachstehen und trinkt ebenfalls brav den Tee. Doch zum Kuss kommt es nicht: mit vor Angst geweiteten Augen flieht er schnell in die Arme seiner Mutter. Zwei Teenager mit modischen Sonnenbrillen retten die Situation. Die Arme ineinander verschränkt, trinkt der Clown Brüderschaft mit dem einen Mädchen, die Freundin fotografiert.

Und so geht es Schlag auf Schlag weiter. Es ist, als ob sich im Halbrund eine unsichtbare Schlange bildet. Jeder will Tee! Vor allem Kinder und junge Mädchen sind es, die sich vom charmanten Clown anzwinkern lassen und mit ihm trinken.

Jüngst hat die Stadtverwaltung die Zahl der lebenden Statuen auf den Ramblas beschränkt. Außerdem muss jeder Künstler bei einem Casting beweisen, was er zu bieten hat. Diesem Clown hier sollte das Tourismusamt eigentlich etwas dazubezahlen. Denn jeder Zuschauer verlässt die Szenerie mit einem Lächeln im Gesicht.