Christine Nickl-Weller setzt bei der modernen Krankenhausarchitektur auf viel Tageslicht und frische Luft. Sie plante auch den UKE-Neubau.

Hamburg. Wie sehen die Krankenhäuser der Zukunft aus? Und welchen Einfluss hat die Architektur auf den Menschen? Das ist das Forschungsgebiet der Professorin Christine Nickl-Weller. Die 60 Jahre alte Münchner Architektin hat an der Technischen Universität Berlin den einzigen Lehrstuhl für Krankenhausarchitektur inne. Gemeinsam mit ihrem Ehemann Prof. Hans Nickl hat sie auch den Neubau des Universitätsklinikums Eppendorf geplant, der vor zwei Jahren fertiggestellt wurde. Morgen wird sie über ihre Arbeit an der Technischen Universität Hamburg-Harburg referieren. Das Abendblatt sprach mit der Architektin darüber, wie ein modernes Krankenhaus konzipiert werden sollte.

Hamburger Abendblatt: Was ist das Besondere am Krankenhausbau?

Prof. Christine Nickl-Weller: Die Vielfältigkeit. Das Krankenhaus ist ein Ort, in dem es sehr wichtig ist, Atmosphäre zu schaffen, die Ängste abbaut. Schon beim ersten Betreten darf der Eingang keine "Schwelle" sein, sondern eine einladende Geste, die bei dem Patienten Vertrauen weckt. Dafür sorgt auch die klare Orientierung innerhalb des Krankenhauses. Zudem muss man sich mit unterschiedlichen Bedürfnissen auseinandersetzen. Auf der einen Seite ist die Klinik für viele Menschen ein Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite hat man es mit Patienten zu tun, die bedrückt oder in großer Angst in dieses Haus hineingehen. Hier ist es unsere Aufgabe, durch Architektur Geborgenheit und emotionale Sicherheit zu vermitteln. Auch für den Angehörigen spielt neben der medizinischen Versorgung und menschlichen Zuwendung die Atmosphäre eine große Rolle. Die Komposition all dieser Facetten zu einem großen Ganzen fasziniert mich am meisten.

Wie setzen Sie das um?

Wenn ich das Krankenhaus als eine Stadt betrachte, ist es unsere Aufgabe, in dieser Stadt Häuser zu bauen, die auf kürzesten Wegen miteinander verbunden sind, entweder horizontal oder vertikal, zum Beispiel Bettenstationen und Funktionsräume. Und es ist sehr unterschiedlich, ob Sie ein kleines oder ein großes Haus haben. Dafür können Sie nicht dieselben Methoden anwenden, weil Sie sonst Längen bekommen, die unerträglich sind.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Der UKE-Neubau ist ein Haus-im-Haus-Konzept, in dem die einzelnen Häuser gestapelt sind. In einer Ebene, die von allen anderen abgeschottet ist, befinden sich die Operationssäle und die Intensivstationen. Alles andere ist in Häusern organisiert: Unten ist eine Ambulanz, in der Mitte eine hoch technisierte Ebene und darüber die Bettenstation dieser speziellen Abteilung. In kleineren Kliniken kann man diese einzelnen Häuser auch nebeneinanderstellen.

Welche Elemente spielen bei der Gestaltung der Räume eine zentrale Rolle?

Eine der wichtigsten Komponenten ist das Tageslicht. Das ist wissenschaftlich bewiesen. Und das nächste ist natürliche Luft, die Möglichkeit, Räume durch das Öffnen des Fensters zu lüften. Das widerspricht ein wenig den energetischen Konzepten, die mit Energieeinsparungen zusammenhängen. Aber dennoch: Es ist wichtig, die gewohnten natürlichen Elemente, die man von zu Hause kennt, auch bei einem Kurzaufenthalt im Krankenhaus wiederzufinden.

Welche Rolle spielen Farben?

Sie spielen eine große Rolle, auch für die Orientierung, und helfen den Patienten, den richtigen Weg zu finden. Die Farbe kann auch ein Material sein. So hat Holz eine Farbe, ebenso wie Blech- oder Stahlteile oder Glas.

Der UKE-Neubau macht einen sehr luftigen, weiten, transparenten Eindruck. Wie wichtig ist Transparenz?

Sie soll verhindern, sich abzuschotten. Es ist wichtig, mit der Umgebung eins zu werden. Wenn Sie zum Beispiel in der Umgebung eine schöne Landschaft haben, dann werden Sie dafür sorgen, dass diese in das Gebäude hineinkommt. Das UKE steht mitten in der Stadt, die Umgebung ist sehr grün und parkähnlich. Durch die großen Glasflächen hat man das Gefühl, mit der Stadt zu reden, sich nicht zu isolieren und auch die grünen Oasen in das Gebäude hineinzuholen.

Warum gibt es dort so viele Innenhöfe?

Sie sorgen dafür, dass jeder Arbeitsplatz Tageslicht hat, was bislang nicht selbstverständlich war. Aber das ist wichtig, weil Arbeitsplätze an 365 Tagen im Jahr genutzt werden. Die Patientenzimmer sind nach außen hotelähnlich gruppiert.

Gibt es eine heilende Architektur?

Es gibt eine Architektur, die die Heilung fördert. Und es gibt sicherlich auch Architektur, die krank macht. Das wird bestimmt durch die Stressfaktoren. Schon der ungute Zuschnitt eines Raumes kann Stress ausüben. Beim Krankenzimmer geht es zudem um viele Details, zum Beispiel darum, wo der eigene Schrank steht und der des Bettnachbarn. Denn allein die Unterbringung von zwei Menschen auf engstem Raum, die sich nie vorher gesehen haben und sich gleichzeitig aber in einem labilen Gemütszustand befinden, ist in jedem Fall schon eine Herausforderung. Deshalb ist wesentlich mehr auf jedes Detail zu achten.

Wo sehen Sie für die Zukunft den größten Verbesserungsbedarf?

In der Struktur. Ich glaube, dass wir Krankenhäuser in Hochtechnikbereiche und Satelliten einteilen müssen, die über die Telemedizin miteinander verbunden sind. Dadurch kommt zunächst die Diagnostik in einem Diagnostikzentrum in kleineren Krankenhäusern näher zum Menschen. So können kleine Einheiten in einem Ort existieren und über die Telemedizin an den hoch technisierten Bereich angehängt werden. Die Versorgung muss mehr strukturiert werden. Nur so kann die Medizin, die wir jetzt haben, auch weiterhin in der hohen Qualität zur Verfügung stehen. Ansonsten wird sie unbezahlbar.

"Zum Gesundwerden - moderne Krankenhaus-Architektur", Vortrag von Prof. Christine Nickl-Weller 6.12., 18-19.30 Uhr, TU Hamburg-Harburg, Audimax II, Denickestr. 22, Eintritt frei