Die Dohrwardts aus Steilshoop kürzten der Gagfah die Miete, weil ihre Wohnung viele Mängel aufweist - jetzt sollen sie nach 26 Jahren raus.

Steilshoop. Im Bad der Familie Dohrwardt fällt der Schimmel in schwarzen Brocken von der Wand. Im Wohnzimmer rottet eine Ecke vor sich hin, und auch im Schlafzimmer streut der Schimmel seine Sporen. Viele Mieter wären längst raus aus dieser Wohnung im Steilshooper Fritz-Flinte-Ring. Nicht die Familie Dohrwardt. Das Geld ist knapp, die Miete günstig und die Arbeitsstelle nur 20 Minuten entfernt. Die Dohrwardts wollten für ein menschenwürdiges Wohnen in den eigenen vier Wänden kämpfen.

Erst meldeten sie sich bei ihrem Vermieter, dem Immobilienkonzern Gagfah, dem in Hamburg mehr als 9400 Wohnungen gehören. Sie schickten eine Liste mit mehr als 20 Mängeln in ihrer 103 Quadratmeter großen Wohnung.

Die Gagfah sandte eine Broschüre zum richtigen Lüften. Das war im April, der Kampf mit der Gagfah begann. Er endete jetzt mit der Kündigung durch den Konzern.

Hunderte Hamburger Mieter sowie Politiker und Verbände haben Probleme mit der Gagfah.

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Der Konzern gehört mehrheitlich dem US-Hedgefonds Fortress und ist mit 150 000 Wohnungen das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen in Deutschland. Ex-Führungskräfte und Mieterverbände sagen, Fortress bereichere sich auf Kosten der Mieter. Statt in den Wohnungsbestand zu investieren, seien lange hohe Dividenden gezahlt worden. Die Folgen lassen sich vor allem in den Stadtteilen Steilshoop und Wilhelmsburg besichtigen: Wohnungen sind verschimmelt, und Fassaden bröckeln ab.

Es gab Proteste, das Unternehmen gelobte Besserung. Die Dividende für die Aktionäre wurde gestrichen, Investitionen in den Wohnungsbestand angekündigt. Es gab Gespräche mit dem Mieterverein. Die Strategie kann man so zusammenfassen: Die Gagfah hilft im Einzelfall, in anderen Fällen ignoriert sie die Beschwerden weiterhin.

"Die Gespräche mit der Gagfah sind immer geplatzt", sagt Lars Schmidt-von Koss, Sprecher des Bezirksamts Mitte. Das Amt hat Mietersprechstunden eingerichtet, doch nur zwölf Mieter seien gekommen. Das liegt daran, dass vor allem in Wilhelmsburg viele Gagfah-Mieter Ausländer sind und ihre Rechte nicht kennen. Sie sind froh, dass sie überhaupt eine Wohnung haben. Fünf bis 20 Beschwerden nehme der für Wohnungspflege zuständige Mitarbeiter des Bezirks Wandsbek in der Woche entgegen, sagt eine Sprecherin. Wie viele davon der Gagfah zuzuordnen sind, erfasse das Amt aber nicht.

Helmut Kecskes vom Verein Mieter helfen Mietern betreut allein in Steilshoop 117 Gagfah-Mieter. "Die Gagfah setzt auf die Angst der Mieter, dass sie auf den Kosten sitzen bleiben, wenn sie selbst Mängel beseitigen", sagt Kecskes. Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg kritisiert die "mangelnde Geschwindigkeit" bei der Bearbeitung der Beschwerden. Das wird vor allem zum Problem, seit es in Hamburg kalt geworden ist.

Seit dem 11. November hatten die Senioren Dieter und Christel Bachofner in ihrer Wilhelmsburger Wohnung an der Thielenstraße kein warmes Wasser - fast eine Woche. Auch die Heizung stand einige Tage still. "Das Wasser war lauwarm, das reicht nicht zum Duschen oder Baden", sagt der 67-jährige Dieter Bachofner. Täglich misst er die Wassertemperatur mit einem Bratenthermometer. Auf Anfrage teilte die Gagfah mit, dass es einen Defekt an einer Heizzentrale gegeben habe. Heizungsprobleme hatten auch Gagfah-Mieter am Alpenrosenweg in Eidelstedt. "Vier Tage ging die Heizung nicht", sagt die 75-jährige Marlene Karnath. Besucher mussten Wolljacken mitbringen.

Die Gagfah bestätigte die Heizungsausfälle für 96 Wohnungen in dem Komplex. Seit vergangenem Montag seien Reparaturtrupps im Einsatz. "Sollte es in dem ein oder anderen Fall leider noch nicht wieder zu der vollen Wärmeleistung kommen, können wir den Mietern elektrische Heizlüfter zur Verfügung stellen", schreibt das Unternehmen. Weitere Heizungsausfälle in Hamburg seien nicht bekannt. Die Gagfah werde bei solchen Schadensmeldungen direkt tätig. "Zu Zeitverzögerungen kann es leider kommen, wenn Ersatzteile bestellt und dann eingebaut werden müssen."

Die Geduld der Dohrwardts aus Steilshoop ist aufgebraucht. Sie haben auf Anraten des Vereins Mieter helfen Mietern die Miete gekürzt, um 45 Prozent. Nachdem das Abendblatt mehrfach über ihre Probleme berichtet hatte, schickte auch das Bezirksamt Wandsbek einen Mitarbeiter. Dann passierte wieder lange nichts.

Birgit Dohrwardt arbeitet zehn Stunden am Tag als Personaldisponentin, ihre Abende gehen für den Schriftverkehr mit der Gagfah drauf. "Das macht mich fertig", sagt sie. Bis zuletzt habe sie gehofft, die Gagfah würde sich kümmern. Dann kümmerte sich die Gagfah. Vor Kurzem schickte sie den Dohrwardts die fristlose Kündigung.

Die Gagfah erkennt die Mietminderung nicht an. Die Familie habe einen Mietrückstand von 2509,38 Euro, schreibt die Gagfah. Das Unternehmen gewährte den Dohrwardts 18 Tage, sich eine neue Wohnung zu suchen. Die Dohrwardts legten per Brief Einspruch gegen die Kündigung ein. Die Frist verstrich. Nichts passierte. Jetzt hat die Familie Angst vor der Zwangsräumung. "Das ist alles kein Zufall", sagt Birgit Dohrwardt. "Wir haben uns gewehrt, deswegen sind wir Opfer von Schikane."

Den Eindruck, ein unliebsamer und widerspenstiger Mieter werde abgestraft, weist das Unternehmen zurück. Die Dohrwardts seien selbst schuld. Messungen in der Wohnung hätten "keine offensichtlichen Baumängel, die ein Eintreten von Feuchtigkeit begründen würden", erkannt.

Falsches Lüftungsverhalten, falsch aufgestellte Möbel und ein Reinigungsstau beim Luftfilter im Bad hätten die Dohrwardts selbst zu verantworten. Laut Gagfah habe der Prüfer des Bezirksamts in 95 Prozent dem Konzern zugestimmt. Laut Amt wiederum habe er einen "Missstand festgestellt und beiden Seiten gesagt, was sie tun könnten." Ein defektes Fenster ist mittlerweile ausgetauscht worden. Der Handwerker kam zwei Tage, bevor die Dohrwardts ausziehen sollten. Das Fazit der Gagfah: "Unserer Meinung nach lagen keine Mängel vor, die die Mieter zur Mietminderung berechtigt haben." Der Streit könnte nun bald vor Gericht landen. Die Gagfah beschäftigt sich schon mit der Zeit nach den Dohrwardts. Im Kündigungsschreiben heißt es: "Da der augenblickliche Zustand Ihrer Wohnung nicht bekannt ist, weisen wir darauf hin, dass vor Ablauf der Frist die notwendigen Schönheitsreparaturen durchzuführen sind."