Ein Schädling frisst vor Hiddensee die Buhnen weg. Es sind Larven einer Muschelart. Neue Tropenholzstämme sollen das Problem lösen.

Hiddensee/Hamburg. Holz - das ist alles, was sie wollen. Milliarden von kleinen Schiffsbohrwürmern sind derzeit in Nord- und Ostsee auf der Suche nach einer Bleibe. Nachdem die Larven der sehr speziellen Muschelart zwischen August und Anfang Oktober geschlüpft sind, driften sie nun durch das Wasser oder haben sich bereits an einem Ziel festgesetzt: einem Seebrückenpfahl, an Buhnenreihen oder einem Schiffswrack. Hier werden sie sich in das Holz hineinbohren, immer weiter, ihr Leben lang. In Jahren mit einem Massenauftreten können es 50 000 Individuen pro Quadratmeter Holz sein - die Schätzungen zufolge so allein in der Ostsee bisher Schäden von rund 100 Millionen Euro verursacht haben. Vor Hiddensee findet deshalb derzeit ein Austausch von 9000 Pfählen statt. Hier soll dem zerstörerischen Werk der Weichtiere mit hartem Holz Einhalt geboten werden.

Eucalyptus cloeziana soll es richten. Das Holz des bis zu 20 Meter hohen Baums aus der Gattung Eucalyptus, der eigentlich in Australiens Osten beheimatet ist, wurde als Plantagenholz aus Südafrika eingekauft. "Wir haben uns für dieses zertifizierte Hartholz nach eigenen Recherchen und Proben entschieden", sagt Eckhardt Wedewardt, Leiter des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt in Stralsund. "Bisher haben wir für die Buhnen-Reihen heimisches Kiefernholz verwendet. Doch von manchen dieser Pfähle, die einmal einen Durchmesser von 25 bis 30 Zentimeter hatten, ist nach dem Befall mit dem Schiffsbohrwurm gerade noch ein Kern in der Dicke eines Schaufelstiels übrig geblieben." Die Folge: Viele der Buhnen, die als Küstenschutzmaßnahme vor dem Südzipfel Hiddensees in der Ostsee stehen, wurden zerfressen an Land geschwemmt.

Noch bis ins nächste Jahr, schätzt Wedewardt, werden die Arbeiten dauern, die Eukalyptus-Pfähle in den Meeresboden zu rammen. Rund 2,9 Millionen Euro kostet die Maßnahme, die vor Hiddensee erstmalig durchgeführt wird. Der Kieler Meeresbiologe Kai Hoppe, der seit 1998 jedes Jahr vor Holtenau Holzproben in der Ostsee ausbringt und auf Befall durch den Schiffsbohrwurm (Teredo navalis) prüft, ist skeptisch: "An den Eukalyptus-Brettern wurde auch gefressen, wenn auch nicht ganz so dicht besiedelt."

+++Milliarden Muscheln zerfressen die Holzbuhnen in der Ostsee+++

+++Klimawandel lässt Schifffahrt vorerst kalt+++

Eine Theorie besagt, dass die marine Muschel 1993 mit einem großen Einstrom von salzhaltigem Nordseewasser in die Ostsee hineingespült wurde, denn seitdem hat sie sich in weiten Teilen des Binnenmeeres stark vermehrt. "Ich glaube eher, dass Teredo ein natürlicher Bewohner der Ostsee ist und der Muschel der stärkere Salzgehalt zugespielt hat", sagt Hoppe. Seitdem fressen sich die Tiere vermehrt durch Holzbauten im Wasser, wobei ihnen ein Symbiont, ein spezielles Bakterium, bei der Aufspaltung der Zellulose hilft.

Warum man nicht einfach andere Materialien für die Buhnen und Seebrücken nimmt? Kunststoff sei nicht UV-resistent und könne Mikropartikel freisetzen, die über Fische in die Nahrungskette gelangen könnten, sagt Hoppe. "Das ist auch jahrzehntelang mit dänischen Holzpfählen passiert, die mit Chrom und Kupfer behandelt waren. Diese giftigen Schwermetalle wurden Stück für Stück ins Wasser abgegeben - und sind unter anderem im Dorsch auf unserem Teller gelandet." Und Stahl sei ein recht unflexibler, schwerer und zudem teurer Werkstoff.

So kommt es, dass auch viele der rund 1000 Dalben im Hamburger Hafen noch aus Holz sind, wie Karin Lengenfelder sagt. "Allerdings haben wir hier auch keinen Schiffsbohrwurm zu fürchten", so die Sprecherin der Hamburg Port Authority (HPA). "Der Hamburger Hafen ist durchgängig ein Süßwasserbereich, da kommt die Muschel nicht vor." Und selbst Brackwasser, dessen Grenze bei extremen Wetterlagen bis nach Wedel reichen kann, sei nicht ihr Lebensraum. Auch Kai Hoppe ist sich sicher, dass Hamburg vor dem Schiffsbohrwurm sicher ist: "Vom Rotterdamer Hafen habe ich allerdings gehört, dass Teredo dorthin vordringt."

Dafür hat der Hamburger Hafen viele andere Muscheln zu bieten - und fast dreimal so viele Arten wie noch vor 100 Jahren. Wurden hier 1900 noch 13 Spezies gezählt, waren es 2009 bereits 32 Arten. "Das liegt an dem Ausbaggern der Elbe", sagt Peter Glöer aus Hetlingen (Kreis Pinneberg), der den offiziellen "Atlas der Süßwassermollusken" für Hamburg erstellte. "Durch das Ausbaggern nahm die Strömung in der Mitte des Flusses zu und in den Außenbereichen ab. Dadurch wurden entlang der Uferbereiche mehr Sedimente abgelagert, was den Lebensraum für kleine Organismen wie Muscheln und Schnecken zerstörte. Diese sind daher aus der Unterelbe verstärkt weg- und in den Hafen eingewandert - hier gibt es genug ruhige Becken", sagt Glöer.

Probleme wie die durch den Schiffsbohrwurm verursachten könnten durch keine der Arten in Hamburg entstehen: "Neue, eingeschleppte Arten könnten höchstens Nahrungskonkurrenz für heimische Muscheln werden." Naturschützer werden dieses im Auge behalten. Ebenso wie die neuen Buhnen vor Hiddensee.