Von 1347 an fielen in nur fünf Jahren fast 30 Millionen Menschen in Europa der Pest zum Opfer, das war die Hälfte der Bevölkerung des Kontinents. Für diese furchtbare Todesrate liefern Johannes Krause von der Universität Tübingen und seine Kollegen der McMaster University in Kanada in der Online-Ausgabe des Fachblattes "Nature" jetzt eine stichhaltige Erklärung. Nach einer Studie der Forscher waren die Menschen damals vermutlich zum ersten Mal mit dem Pestbakterium Yersinia pestis konfrontiert. Der Organismus hatte sich also noch nicht an diesen Erreger anpassen können und niemand wusste, wie man die Epidemie eindämmen kann. Spätere Ausbrüche der Pest verliefen dann auch weniger schrecklich.

Für die Studie wurden menschliche Überreste von Pestopfern untersucht, die damals auf dem Londoner Pestfriedhof East Smithfield bestattet worden waren. Aus den Zähnen von vier Schädeln konnten die Forscher Erbgut des längst toten Erregers isolieren und es mit den Methoden der modernen Gentechnologie genau untersuchen. Dabei landeten sie einen Volltreffer: "Das Bakterium ist sehr eng mit dem letzten gemeinsamen Vorfahren aller heutigen Stämme von Yersinia pestis verwandt", erklärt Johannes Krause. Die Wissenschaftler hatten den ersten Urahn der heute noch bisweilen ausbrechenden Pest gefunden. "Die Pestepidemie von 1347 bis 1351 brachte anscheinend erst diese Infektion zum Menschen", sagt Krause.

Sehr wahrscheinlich ist es dem Pestbakterium also im Mittelalter erstmals gelungen, Menschen zu infizieren. Frühere Pestepidemien wie die zur Zeit des oströmischen Kaisers Justinian I., die 541 in Ägypten ausbrach, wurden vermutlich von anderen Erregern ausgelöst.

Seit dem Schwarzen Tod haben sich die gefährlichen Eigenschaften des Erregers Yersinia pestis kaum verändert, stellten die Forscher weiter fest. Trotzdem verliefen spätere Pestepidemien auch vor der Einführung von Antibiotika deutlich glimpflicher als im 14. Jahrhundert. Also muss sich etwas anderes geändert haben. Johannes Krause denkt da zum Beispiel an den Begriff Selektion aus der Evolutionstheorie: Vermutlich überlebten im 14. Jahrhundert vor allem die Menschen, deren Organismus mit dem Pesterreger am besten fertig wurde. Deren Nachfahren sind auch heute noch weniger empfindlich gegen eine solche Epidemie.

Überträger des Pestbakteriums ist ein Floh, der normalerweise auf Ratten lebt. Sterben die Nagetiere an der Pestinfektion, sucht sich der Floh einen neuen Wirt. Da in Städten und auf Schiffen seit alters her Ratten und Menschen eng nebeneinanderleben, sind häufig Menschen die nächsten Opfer. Stirbt ein Pestinfizierter, kühlt sein Leichnam rasch aus. Die Flöhe verlassen schnell ihren toten Wirt und suchen sich einen neuen. Ärzte infizierten sich daher viel häufiger als Totengräber, die erst später mit den ausgekühlten Pestopfern in Berührung kamen. "Aus dieser Beobachtung könnte die Quarantäne entstanden sein", vermutet Krause. Das Isolieren der Kranken bis einige Tage nach ihrer Gesundung oder ihrem Tod bremste die Ausbreitung der Pestepidemien deutlich aus.