Hamburger Ärzte begradigen verbogene Wirbelsäule mit neuer Methode. Patienten können schon kurz nach der Operation wieder gehen.

Hamburg. Noch bewegt Lana ganz vorsichtig die Beine aus dem Bett, um sich aufzusetzen. Erst vor Kurzem ist sie wegen einer Skoliose operiert worden. Bei dieser Erkrankung verbiegt sich die Wirbelsäule seitlich. Jetzt wird Lana gleich zeigen, wie gut sie schon wieder laufen kann. Bei dem neuneinhalbjährigen Mädchen hat Prof. Ralf Stücker, Chefarzt der Kinderorthopädie im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK), eine neue Methode angewandt, um ihre verkrümmte Wirbelsäule wieder gerade zu richten.

Dabei werden zwei Stäbe am Rücken durch die Muskulatur geschoben und dann oben an der Brustwirbelsäule und unten an der Lendenwirbelsäule mit Schrauben befestigt. Damit sie das Wachstum der Wirbelsäule nicht beinträchtigen, müssen sie sozusagen mitwachsen. Deswegen befindet sich in ihrer Mitte ein kleiner Motor. "Er kann über einen starken Magneten aktiviert werden und zieht die Stäbe auseinander. Dafür muss Lana alle vier Monate in unsere Ambulanz kommen. Dort werden die Stäbe je nach der zu erwartenden Wachstumsgeschwindigkeit eingestellt", sagt Stücker.

Dies muss so lange regelmäßig wiederholt werden, bis das Mädchen ausgewachsen ist, etwa bis zum 14. oder 15. Lebensjahr. "Dann muss man entscheiden, ob diese Implantate entfernt werden und die Wirbelsäule durch eine Operation versteift wird", erklärt der Kinderorthopäde. Eine Versteifungsoperation, die sich auf die Brustwirbelsäule beschränke, sei für die Betroffene kaum spürbar. Zu einer Einschränkung der Beweglichkeit komme es nur dann, wenn auch Lendenwirbel versteift werden müssen.

Auch die Stäbe schränken die Beweglichkeit der Kinder ein. "Sie wirken wie ein inneres Korsett, aber die Kinder können damit noch gehen, laufen und rennen und haben eine ausreichende Beweglichkeit", sagt Stücker. Die Methode ist für Kinder zwischen dem fünften und dem elften Lebensjahr geeignet, die schon in jungen Jahren eine schwere Wirbelsäulendeformität bekommen und bei denen eine Korsettversorgung nicht möglich ist oder nicht mehr ausreicht.

Schon lange gibt es Verfahren, die zum Ziel haben, die Wirbelsäule dieser Patienten wieder zu begradigen. Zuerst hat man bei den Kindern die Wirbelsäule durch zwei Stangen versteift. "Das hatte den Nachteil, dass dadurch das Wachstum der Wirbelsäule, des Brustkorbes und der Lungen behindert wurde. Das hatte zur Folge, dass die Patienten später, wenn sie ausgewachsen waren, eine extrem eingeschränkte Lungenfunktion hatten und kaum noch belastbar waren", sagt Stücker. Vor einigen Jahren entwickelte man dann sogenannte mitwachsende Implantate. Dabei werden die Stäbe oben und unten an der Wirbelsäule befestigt. Alle sechs Monate mussten diese Wachstumsstäbe aber im Rahmen einer kleinen Operation nachgestellt werden. Auch bei diesem Verfahren kam es nicht selten zu Komplikationen: "Die Infektionsgefahr ist besonders hoch, wenn man immer wieder operieren muss. Viele dieser Stäbe haben Probleme verursacht, weil sie aus ihrer Verankerung herausgewandert sind. Das größte Problem war aber, dass es zu spontanen Versteifungen der Wirbelsäule gekommen ist. Es ist ein typisches Phänomen bei der kindlichen Wirbelsäule, dass sie schon versteifen kann, wenn man sie freilegt. Eine Erklärung gibt es dafür bislang nicht", sagt Stücker. Zudem besteht bei all diesen Operationen ein geringes Risiko, dass Nerven verletzt werden. "Heute wird aber ein Monitoring durchgeführt, sodass dieses Risiko, das früher bei 0,5 Prozent lag, deutlich senkt. Bei dem Monitoring werden die elektrischen Ströme im Rückenmark gemessen, um zu sehen, wie lange ein Reiz braucht, vom Bein zum Gehirn zu gelangen. Wenn die Zeit dafür regelgerecht ist, weiß man, dass es dem Rückenmark gut geht", sagt Stücker.

Die neuen Stäbe sollen jetzt auch noch bei anderen Erkrankungen zum Einsatz kommen, so wurde bereits ein Stab einem Kind in den Oberschenkel eingesetzt, um seinen Oberschenkelknochen langsam zu verlängern, der nach einem Knochenbruch verkürzt war. "Der Stab wird jeden Tag um einen Millimeter auseinandergezogen. So kann der Knochen langsam nachwachsen, bis der Längenunterschied von sechs Zentimetern zum anderen Bein aufgeholt ist", erklärt Stücker. Solche Operationen sollen jetzt im AKK häufiger durchgeführt werden.

Die kleine Lana ist nach einer Woche in der Klinik so schon wieder so fit, dass sie in wenigen Tagen entlassen werden kann. Am meisten freut sie sich auf ihren Kater Lucky, der sie zu Hause sicher freudig begrüßen wird.