Sogenannte Biologicals haben entscheidende Fortschritte gebracht. Sie helfen auch Kindern, ein normales Leben ohne große Schmerzen zu führen.

Hamburg. Die Krankheit beginnt typischerweise mit steifen Fingern am Morgen und Schmerzen in den kleinen Gelenken der Hände und Füße. Etwa 440 000 Erwachsene in Deutschland leiden laut der Deutschen Rheuma-Liga an Gelenkrheuma, der sogenannten rheumatoiden Arthritis. Damit zählt sie zu den häufigsten rheumatischen Erkrankungen. Wie Menschen trotz Rheumas ihre Beweglichkeit erhalten können und was am besten gegen Schmerzen hilft, ist Thema einer bundesweiten Aufklärungskampagne, mit der die Deutsche Rheuma-Liga am 12. Oktober, dem Weltrheumatag, startet.

Das entzündliche Gelenkrheuma ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. Der Auslöser ist unbekannt. Es gibt aber eine erbliche Veranlagung: Kinder von Rheumakranken haben ein drei- bis fünffach erhöhtes Risiko, ebenfalls zu erkranken. Zudem erhöht Rauchen das Risiko für eine rheumatoide Arthritis.

Das Wichtigste ist der frühzeitige Beginn einer Therapie. Für eine frühe Diagnose gilt heute folgende Empfehlung: Patienten, die länger als drei Wochen mehr als ein geschwollenes Gelenk haben, ohne dass dafür eine klare Ursache erkennbar ist, sollen zu einem Rheumatologen überwiesen werden. "Auch wenn gewisse Wartezeiten auf einen Termin in Kauf genommen werden müssen, kann man so eine rheumatoide Arthritis in den ersten Monaten erkennen", sagt Prof. Jürgen Wollenhaupt, Chefarzt der Rheumatologie in der Schön-Klinik Hamburg-Eilbek. Heute kann man die Diagnose schon bei ein bis zwei betroffenen Gelenken und anhand der Rheumawerte im Blut stellen und dann eine frühzeitige Therapie einleiten. Damit lässt sich bei den meisten Patienten die Krankheit gut kontrollieren, ohne dass es zu einer Zerstörung der Gelenke kommt. "Und bei gutem Erfolg kann man die Behandlung auch beenden, ohne dass das Rheuma erneut aufflammt. Außerdem haben Studien gezeigt, dass der frühe Einsatz noch relativ neuer Medikamente, der sogenannten Biologicals, das Rheuma frühzeitig stoppen kann", sagt Wollenhaupt. Biologicals blockieren den Hauptbotenstoff, der für die rheumatische Entzündung im Gelenk verantwortlich ist.

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Die Therapiestrategie richten die Ärzte mittlerweile nicht nur an ärztlichen Befunden aus, sondern auch daran, wie der Patient selbst seine Krankheit einschätzt. "Wenn er zu uns in die Sprechstunde kommt, stellen wir ihm die Frage: ,Wie stark hat das Rheuma in der vergangenen Woche Ihren Alltag beeinflusst, wenn Sie alle Aspekte Ihrer Erkrankung betrachten?' Der Patient nennt uns dann einen Wert auf der Skala von ein eins bis zehn und diese Bewertung geht in den Befund mit ein", erklärt Wollenhaupt. Dabei spielen neben Schmerzen und körperlichen Reaktionen auf die chronische Entzündung seelische Aspekte und die familiäre und berufliche Situation eine Rolle.

Auch bei Kindern ist Rheuma eine häufige chronische Erkrankung. Etwa 15 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland leiden an der häufigsten Form, der sogenannten juvenilen Arthritis. Allerdings haben sie andere Symptome als Erwachsene. "Bei kleinen Kindern zeigt sich Rheuma häufig dadurch, dass sie lauffaul werden, sich immer wieder hinsetzen oder am liebsten getragen werden wollen", sagt Dr. Ivan Foeldvari, Kinderrheumatologe am Schön-Klinikum Hamburg-Eilbek. Erst, wenn die Kinder älter werden, klagen sie über Gelenkschmerzen. Betroffen sind in erster Linie Knie, Hüfte oder Sprunggelenke und in 80 Prozent der Fälle auch die Kiefergelenke. Zudem leiden viele an einer Entzündung der Regenbogenhaut im Auge, die unbehandelt zur Erblindung führen kann.

In der Behandlung hat besonders die Einführung der Biologicals entscheidende Fortschritte gebracht. "Eine finnische Studie hat jetzt gezeigt, dass die Therapieerfolge am besten waren, wenn diese Mittel mit herkömmlichen Rheumamedikamenten kombiniert wurden. Damit wurden mehr Erfolge erzielt als mit einer Kombination konventioneller Rheumamittel oder mit dem Rheumamittel Methotrexat allein. Und die Vorteile der Biologicals gegenüber herkömmlichen Rheumamitteln sind umso größer, je früher die Patienten damit behandelt werden", sagt Foeldvari. In Deutschland ist die Behandlung mit Biologicals aber für Kinder erst zugelassen, wenn eine dreimonatige Therapie mit Methotrexat keine Wirkung gezeigt hat.

Für die Therapie der schwersten Form kindlichen Rheumas, der systemischen Arthritis, die mit Fieberschüben, Hautausschlägen und schweren Gelenkzerstörungen einhergeht, gibt es jetzt neue Biologicals, mit denen die Entzündung effektiver bekämpft werden kann als bisher. "Eine Studie, an der wir auch beteiligt sind, hat gezeigt, dass durch eine Therapie mit dem Wirkstoff Tocilizumab bei 45 Prozent der Kinder nach einem Jahr die Entzündung inaktiv war und dass nur noch neun Prozent Fieber hatten", sagt Foeldvari.

Doch trotz aller Erfolge haben auch diese Medikamente Nebenwirkungen: "Es gibt ein leicht erhöhtes Risiko für schwere Infekte, und eine bereits vorhandene Tuberkulose kann wieder aktiviert werden. Zudem wird über ein leicht erhöhtes Risiko für Leukämie und Lymphome berichtet, wobei noch nicht klar ist, ob diese Nebenwirkung durch die Erkrankung oder durch die Biologicals bedingt ist. Die Therapie ist deswegen immer ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Risiko."

Trotzdem sind Biologicals für Rheumatologen eine Art Wundermittel. "Früher konnten rheumakranke Kinder nicht gehen und saßen im Rollstuhl. Heute können wir die Gelenkerkrankung kontrollieren. Die Patienten können Sport treiben und ein normales Leben führen", sagt Foeldvari.

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