Nicht was auf dem Teller liegt, ist wichtig. Der seelische und mentale Zustand entscheiden über den Erfolg auf dem harten Weg zum Wunschgewicht.

Hamburg. Was ist der beste Weg zum Wunschgewicht? Die meisten Deutschen wissen, wie sie sich gesund ernähren können - viel Obst und Gemüse, wenig Fleisch, Fett und Zucker. Woran sie scheitern, ist die Umsetzung. Welche Rolle die Seele dabei spielt, wird oft unterschätzt. Wer sie beim Abnehmen mitberücksichtigt, macht es sich leichter. So sind zum Beispiel diejenigen, die in einer Gruppe gegen die überschüssigen Pfunde kämpfen, im Vergleich zu Einzelkämpfern erfolgreicher. Das zeigt eine im Fachjournal "The Lancet" erschienene Studie von Dr. Susan Jebb.

"Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Forschung, nach denen Gruppenangebote sinnvoller sind als Einzeltherapien", sagt Ernährungspsychologe Prof. Joachim Westenhöfer von der Hamburger Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW). Denn die Teilnehmer von Gruppenangeboten arbeiten länger und intensiver an ihrem Ziel. Das liege vor allem an der Gruppendynamik: "Die Teilnehmer kommen gern zu den Sitzungen, weil sie sich austauschen und gegenseitig beim Abnehmen motivieren können", erklärt Westenhöfer.

Eine der gefährlichsten Fallen einer jeden Diät lauert dabei gleich schon am Anfang. "Die meisten setzen sich zu hohe Ziele. Sie erreichen das Wunschgewicht vielleicht sogar, können es aber nicht halten", sagt Westenhöfer. Dabei bedeute bereits der Verlust von fünf Prozent des Körpergewichts für adipöse Menschen eine enorme Erleichterung. Adipös, so nennen Wissenschaftler alle stark Übergewichtigen. Sie haben einen Body Mass Index (BMI, das Gewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Metern) von mehr als 30. Bei einer Größe von 1,70 Metern entspricht das einem Gewicht von mehr als 87 Kilo. "Wer sich zu hohe Ziele steckt, wird rückfällig, sobald familiäre oder berufliche Probleme auftauchen", warnt Westenhöfer. Dann sei der Wunsch nach Schlankheit nicht mehr wichtig genug.

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Für einen langfristigen Erfolg arbeitet die psychologische Abnehmberaterin Angelika Resch mit ihren Klienten vor allem am Inneren. "Was man isst, spiegelt, was man ist", sagt Resch. Damit meint sie, dass die Ernährung zeigt, wie man sich im eigenen Körper fühlt. Wer mit sich im Reinen ist, habe auch ein gesundes Essverhalten, sagt sie.

Appetit zwischen den Mahlzeiten sei meist nur seelischer Hunger. "Damit wollen die Betroffenen häufig ein seelisches Loch stopfen", sagt Resch. Die meisten Diäten konzentrieren sich auf das Essen an sich. Viel wichtiger seien aber die tiefer liegenden Motive für das ungesunde Essverhalten, wie mangelndes Selbstvertrauen. Erst wenn die wahre Ursache behandelt wird, könne das Symptom verschwinden.

Diese Erkenntnis ist ein erster Schritt, dann muss die Ernährung umgestellt werden. "Im Grunde ist alles erlaubt, es geht nur um die richtigen Mengen", sagt Resch. Also essen in Maßen statt in Massen. Verbote seien kontraproduktiv, meint Resch - denn alles Verbotene gewinnt an Reiz. So sollte man nicht von heute auf morgen alle leckeren Lebensmittel vom Essensplan streichen.

"Abnehmen beginnt im Kopf", sagt Ernährungswissenschaftlerin und Trainerin Amely Brückner. In Anlehnung an das Konzept "Easy Weight", das vor allem auf die mentale Seite setzt, entwickelte sie dieses Jahr ein eigenes Angebot: "Lieber leichter in Balance." Dafür vereinte Brückner ein Programm der Deutschen Gesellschaft für Ernährung mit Erkenntnissen aus der Neurolinguistik und der Verhaltenstherapie.

Auch Brückner lehnt es ab, Leckereien zu verbieten. Stattdessen nutzt sie ein Gedankenexperiment: Wenn jemand ständig Schokolade essen will, helfen sogenannte Wahrnehmungsfilter. Dabei stellt sich der Teilnehmer eine Schokoladentafel vor, die zum Beispiel mit einer grellen Farbe oder Schimmel überzogen ist. "Solche Filter machen verführerisches Essen unattraktiv - auf einmal können die Teilnehmer von ihnen lassen", so die Trainerin.

Sie geht davon aus, dass unsere Gedanken mindestens genauso entscheidend für ein erfolgreiches Abnehmen sind, wie das Essen an sich. Das demonstriert eine ihrer Übungen. Die Teilnehmer sollen sich vorstellen, sie wären schon schlank. Mit diesem Gefühl spielen sie verschiedene Situationen nach. Mit sichtbaren Veränderungen: "Auf einmal halten sie sich auch im Alltag aufrecht, sprechen selbstbewusster und mit fester Stimme", sagt Brückner. Diese veränderte Selbstsicht tragen die Teilnehmer in den Alltag. Und plötzlich purzeln die Pfunde. Die Krankenkassen erkennen die Kraft der Gedanken immer mehr. So übernehmen sie bis zu 75 Euro für die Teilnahme an Brückners Konzept. Im Herbst startet der erste Kursus in Zusammenarbeit mit einem Reinbeker Arzt.

Doch auch wenn das Traumgewicht erreicht ist, hört der Kampf gegen die Kilos noch lange nicht auf. Nun beginnt die eigentliche Herausforderung: das neue Gewicht zu halten. "Es geht darum, sein Ess- und Bewegungsverhalten langfristig zu verändern", sagt Ernährungspsychologe Westenhöfer. Gerade die Gewohnheit wird dabei zum Gegenspieler. Sie zu besiegen braucht mehr Zeit, als viele denken: "Neue Essgewohnheiten auszubilden dauert mindestens sechs Monate, manchmal auch mehr als ein Jahr."