Seit eineinhalb Jahren simulieren sechs Freiwillige in Moskau einen Flug zum Mars und zurück. Kurz vor Schluss sind die Männer völlig ausgelaugt.

Moskau. „Toter Punkt“, „psychisch ausgelaugt“: Beim ehrgeizigen Weltraum-Experiment Mars500 in Moskau hinterlassen knapp eineinhalb Jahre Isolation bei den Teilnehmern ihre Wirkung. „Die Männer wollen endlich ihre Familien und die Sonne sehen“, erzählt Peter Gräf vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) der Nachrichtenagentur dpa. Noch rund anderthalb Monate müssen die sechs Probanden aus Russland, China, Italien und Frankreich durchhalten. Erst am 4. November landet ihr Raumschiff nach insgesamt 520 Tagen wieder auf der Erde – zumindest in der Simulation.

Mehr als zuvor nimmt das Team dankbar kleinste Veränderungen wahr. „Es ist zwei Grad wärmer geworden“, jubelte der italienische Teilnehmer Diego Urbina unlängst beim Kurznachrichtendienst Twitter. Schon bald wartet der nächste Schritt auf die Mannschaft: Ab diesem Donnerstag können sie wieder in Echtzeit mit ihren Betreuern kommunizieren. Ganz wie bei einem richtigen Flug zum Roten Planeten dauerte es zeitweise bis zu 20 Minuten, bis eine Nachricht der Crew am „Boden“ ankam. So lange benötigt auch ein Signal mit Lichtgeschwindigkeit vom Mars, der durchschnittlich 200 Mal weiter entfernt ist von der Erde als der Mond.

„Direkte Kommunikation bedeutet natürlich eine enorme Verbesserung der Lebensqualität“, meint Gräf. „Es macht den letzten Monat auf jeden Fall leichter.“ Seit Anfang Juni 2010 sitzen Urbina und seine fünf Kollegen schon in einem Container in Moskau. Kameras überwachen fast alle Ecken – außer dem kleinen Privatzimmer und die Toiletten. Mars500 wirkt wie eine wissenschaftliche Form der TV-Sendung „Big Brother“, nur ohne Mikrofone. Vor allem in der ersten Phase des Experiments lockerten zahlreiche Versuche – rund ein Dutzend aus deutschen Instituten – den Alltag auf.

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Doch längst ist der Tagesablauf Routine – „man kennt alles aus dem Effeff“ (Gräf) -, zugleich wächst die Sehnsucht nach dem Leben draußen. „Ich vermisse meine Familie sehr und meine Freunde“, schreibt Urbina. Aber das ist nicht das Einzige: „Ganz einfache Dinge wie blauen Himmel zu sehen oder abends Tanzen zu gehen – das liebe ich, aber hier kann ich so etwas nicht machen.“

Doch die Betreuer sind sicher, dass die „Marsianer“ bis zum Schluss durchhalten. Die Probanden hätten das Experiment jederzeit abbrechen dürfen. „Die Männer haben natürlich lange keine Sonne gesehen und sind ziemlich blass“, erzählt Gräf. „Aber das Team ist hochmotiviert und funktioniert hervorragend.“ Gefragt ist Kreativität. „Die Crew muss aus vielen banalen Dingen wichtige Ereignisse machen“, schildert Gräf die Herausforderung. Auch für das Team drumherum ist diese Phase wichtig. Was müssen die Raumfahrer bei einem richtigen Mars-Flug dabeihaben, wie müssen sie von der Erde aus betreut werden? Doch mit Antworten auf solche Fragen können sich die Wissenschaftler auch nach dem Ende von Mars500 etwas Zeit lassen: Bis Raumfahrer zum Roten Planeten reisen, werden aller Voraussicht nach noch Jahrzehnte vergehen.