Das Biowerk Hamburg nutzt vergammeltes Fleisch und Essensreste zur Erzeugung von Heizwärme und Strom. Umweltbundesamt sieht hier die Zukunft.

Hamburg. Biogasanlagen verwenden häufig Mais, um Energie zu erzeugen. Zurecht steht dieses Vorgehen bisweilen in der Kritik, denn Nahrungsmittel zu verfeuern ist eigentlich keine wirklich wirtschaftliche Angelegenheit. Im Biowerk Hamburg werden bereits Alternativen genutzt. Ein Schweinestall ist nichts dagegen. Dunkel gefärbtes Hackfleisch, gewellte Salamischeiben, schwabbeliger Kochschinken, gelbgewordener Reis und angeschimmelter Brokkoli liegen in einem Betontrog. Der beißende Geruch treibt Besucher fast wieder aus der Halle heraus, wo Biomüll und Essensreste auf ihre Verwertung warten. Sie werden im Biowerk Hamburg vergoren. Das entstehende Biogas wird zum Heizen und zur Stromproduktion genutzt.

Speiseabfälle aus der Gastronomie und Großküchen, abgelaufene Lebensmittel und Biomüll werden in der Anlage der Stadtreinigung Hamburg verwertet. 2010 wurden 6,72 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom und 6,76 Millionen kWh Wärme daraus erzeugt. Die jährlich rund

20 000 Tonnen an Abfällen können immerhin etwa 2500 Haushalte mit Energie beliefern – ein Abnehmer ist auch das nahe gelegene Stadion des Fußball-Bundesligisten Hamburger SV.

Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz werden solche Anlagen, die Bioabfälle und Essensreste verarbeiten, stärker gefördert. Für den Präsidenten des Umweltbundesamts (UBA), Jochen Flasbarth, liegt darin ein Schlüssel, dass Biomasse für Biogasanlagen nicht stärker in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion steht. In vielen Regionen entstehen immer mehr Maismonokulturen, weil der Anbau zur Energiegewinnung lukrativ ist. Dadurch können auch das Grundwasser geschädigt und die Bodenqualität in Mitleidenschaft gezogen werden.

„Wir raten dazu, sich auf Abfälle und Reststoffe zu konzentrieren“, sagt Flasbarth. Bisher werden laut UBA erst 15 Prozent der Bioabfälle aus Haushalten und Gärten für die Vergärung und die Energieproduktion eingesetzt. Daher plädiert das UBA für eine Ausweitung der Bioabfallsammlung – mit dem reformierten Kreislaufwirtschaftsgesetz wurde dafür eine Grundlage geschaffen. Zugleich solle aber die Menge weggeworfener Lebensmittel reduziert werden, betont Flasbarth.

Die jährliche Wachstumsrate bei der Stromgewinnung aus Biomasse liegt derzeit laut UBA bei 20 Prozent. 2010 hatte Bioenergie einen Anteil von sechs Prozent an der Stromproduktion. Auf bis zu 6800 Anlagen soll die Zahl in diesem Jahr steigen, schätzt der Biogasverband. Doch gerade die massive Maisnutzung stößt auf Kritik. Und Methan-Emissionen in Biogasanlagen schaden dem Klima.

Die Anlage in Hamburg gilt als sinnvolles Alternativmodell. Betriebsleiter Jens Margull betont, der Sommer sei Hochsaison für die Anlage, weil viel frische Ware auf dem Markt sei, die schnell schlecht werde könne und es vermehrt Kühlschäden gebe.

Um künftig noch mehr Biomüll einsammeln zu können, wurde von der Stadtreinigung die Kampagne „Wer trennt, der spart“ aufgelegt. Anfang des Jahres wurden die Gebühren für Bio- und Grünabfälle um 70 Prozent gesenkt, die Abgaben für den Restmüll hingegen erhöht.

Zehn Prozent der Abfälle in den eingesammelten Biotonnen seien ungenutzte Lebensmittel, sagt Biowerk-Geschäftsführerin Anke Boisch. „Wir stehen in einem sehr harten Wettbewerb“, betont sie und verweist angesichts der innovativen Verwertungsmöglichkeiten auf eine Konkurrenz zwischen kommunalen und gewerblichen Sammlern. So gibt es auch einen heftigen Streit, wer den Zugriff auf die geplante Wertstofftonne bekommen soll, mit der das Recycling von immer teurer werdenden Rohstoffen vorangebracht werden soll.

UBA-Präsident Flasbarth ist beeindruckt von der Anlage. Aber ein Manko sieht er doch. Es kann kein Gas in großen Mengen zwischengespeichert werden. Das wäre aber notwendig, um für die Energiewende ideal gewappnet zu sein. Flexible Gaskraftwerke werden immer wichtiger, die bei Flaute oder Regen rasch zusätzliche Energie liefern können und bei viel Sonne und Wind vom Netz gehen.