Forscher der Technischen Universität erzeugen im 15 Meter langen Kanal erstmals plötzlich auftretende Riesenwellen im Labormaßstab.

Hamburg. Sie kommen aus dem Nichts und entfalten eine Zerstörungskraft, die selbst großen Kreuzfahrt- oder Containerschiffen gefährlich wird: Riesenwellen mit Höhen um die 30 Meter. Die Wellen sind mathematisch längst in eine Formel gefasst, zudem schon häufig beobachtet worden. Forschern der Technischen Universität Hamburg-Harburg gelang nun die Brücke von der Mathematik zur Realität: Sie können die Monsterwellen im Labormaßstab nachbilden.

Die Brecher, die Prof. Norbert Hofmann und sein Team vom TU-Institut für Meerestechnik im 15 Meter langen Wellenkanal erzeugen, sind eher unspektakulär. Sie durchlaufen das Becken im Miniformat: Bei einem regulären Labor-Seegang von zwei Zentimetern erreichen sie Höhen von sechs Zentimetern - das bringt höchstens winzige Schiffsmodelle ins Wanken.

"Unsere Laborwelle ist gewissermaßen der Kern des Phänomens Monsterwelle", sagt Hoffmann. Ihr liegt eine mathematische Gleichung, die sogenannte Peregrine Lösung, zugrunde, die Kollege Amin Chabchoub labortauglich machte. Generell spricht man von Riesen- oder Monsterwellen, wenn diese sich mindestens 2,2-fach höher auftürmen als der Durchschnitt des größten Drittels des umgebenden Seegangs. Oftmals sind sie sogar dreifach höher.

In Harburg erzeugt ein Paddel Wellenbewegungen, die der Einwirkung von Wind im offenen Meer entsprechen. Wie in der Natur türmt sich plötzlich eine "Riesenwelle" auf. "Je nachdem, wie wir die Parameter variieren, erhalten wir verschiedene Formen der Monsterwellen, die es auch in der Realität gibt", sagt Hoffmann.

Die Jäger der Riesenwellen unterscheiden drei Ausprägungen: Die "Drei Schwestern" sind drei aufeinanderfolgende Riesenwellen, wobei die mittlere die höchste ist. Als "Kaventsmann" bezeichnen sie eine breite Riesenwelle, als "weiße Wand" eine sehr steile. Sowohl Einzelgänger als auch der Dreierpack seien im Wellenkanal nachzubilden, sagt Hoffmann. Damit gelang es den Forschern, die Mathematik zur Wellenbildung, die bereits in den 1970er-Jahren entstand, im Versuch zu bestätigen.

Unter welchen Bedingungen sich die Wellen im offenen Meer bilden, sei aber noch unklar, betont Hoffmann: "Gesichert ist die Erkenntnis, dass sich Riesenwellen leichter bilden, wenn der Seegang entgegengesetzt zur Meeresströmung verläuft. Dies geschieht häufiger an der südöstlichen Küste Afrikas und in Asien." Eine zweite Ursache, dass sich zwei Wellen zufällig überlagern, mag eine Rolle spielen, kann das Phänomen aber nicht ausreichend erklären, denn dafür tauchen die Monster zu häufig auf.

+++ Info: Unfälle mit Riesenwellen +++

Dr. Ralf Weisse vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht hat einen Wellenüberfall nachgerechnet, der sich im März 2010 im Mittelmeer ereignete: Das Kreuzfahrtschiff "Louis Majesty" wurde von drei massiven Wellen getroffen und schwer beschädigt. Damals erreichte das Drittel der größten Wellen eine Durchschnittshöhe von 5,40 Metern. Aus der Seegangstheorie ergibt sich, dass sich jede 80. Welle acht Meter auftürmte, jede 1000. Welle sogar zehn Meter. Bei dem gemessenen zeitlichen Wellenabstand von acht Sekunden würde dies bedeuten, dass alle zehn Minuten ein Acht-Meter-Exemplar und alle zwei bis zweieinhalb Stunden eine Zehn-Meter-Welle entstand.

Das heißt nicht, dass die Monster vor dem Schiffsbug auftauchten. Hoffmann: "Wir wissen nicht, welche Wege Riesenwellen zurücklegen, bevor sie wieder abflachen. Nach der Theorie sind sie eher kurzlebig. Und auch im Labor: Auf den ersten sechs Metern des Wellenkanals tut sich nichts. Dann ist die Welle über die nächsten zwei Meter wahrnehmbar, bevor sie sich verläuft - sie lebt nur ein paar Sekunden."

Der kurze Auftritt mache es schwierig, Schiffe oder Gezeitenkraftwerke vor anrollenden Monsterwellen zu warnen, so Hoffmann. Denkbar seien zwei Prognosevarianten: Sensoren am Schiff oder Bojen vor Wellenkraftwerken können herannahende Wellen mit einem Vorlauf von zehn, 20 Sekunden melden - das reicht vielleicht, um eine Sicherheitstechnik zu aktivieren oder Passagiere zu warnen. Und Satelliten- und Wetterdaten liefern Hinweise auf Meeresregionen, in denen gerade ein erhöhtes Monsterwellen-Risiko herrscht. Die Harburger Versuche könnten helfen, Kurzzeitwarnsyteme zu entwickeln.

Simulation einer Monsterwelle: