Spezielle Gene gelten als Hauptursache der Störung. Eine Studie zeigt, dass auch auffällig oft zweieiige Zwillinge mit unterschiedlichen Erbanlagen daran leiden

Palo Alto. Autismus ist eine angeborene Entwicklungsstörung. Experten nehmen an, dass sie vor allem durch spezifische Genkonstellationen und äußere Faktoren bedingt ist. Eine neue US-Studie an Zwillingen lenkt jetzt das Augenmerk auf die Gebärmutter. Das könnte bedeuten, dass Alter und Gesundheit der Mutter eine größere Rolle spielen als bislang angenommen.

"Bei der Studie handelt es sich um ein groß angelegtes Forschungsprojekt", erklärt der Leiter des Autorenteams, Joachim Hallmayer von der Stanford-University in Palo Alto. "Wir haben Gesundheitsakten aus Kalifornien und eine große Anzahl von Zwillingen aus der Gesamtbevölkerung studiert." Die Forscher untersuchten 192 Zwillingspaare, von denen mindestens ein Teil Symptome aus dem autistischen Formenkreis aufwies. Einige der Zwillinge waren eineiig, andere zweieiig. Die Unterscheidung ist insofern wichtig, als Zwillinge, die aus ein und demselben befruchteten Ei stammen, auch dasselbe Genmaterial mitbringen. Dagegen weisen zweieiige Zwillinge nicht mehr genetische Gemeinsamkeiten auf als andere Geschwister.

Die Studie, die in der Fachzeitschrift "Archives of General Psychiatry" veröffentlicht wurde, förderte folgendes Ergebnis zutage: Wie zu erwarten war, ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei eineiigen Zwillingen beide Kinder an Autismus erkranken, sehr hoch - 77 Prozent der männlichen eineiigen Zwillingspaare und 50 Prozent der weiblichen wiesen Merkmale von Autismus auf. Überraschend war aber: Auch bei zweieiigen Zwillingen war die Rate der gemeinsamen Erkrankung hoch. 31 Prozent der männlichen zweieiigen Zwillingspaare und 36 Prozent der weiblichen zeigten Symptome aus dem autistischen Formenkreis. In anderen Studien belief sich die Wahrscheinlichkeit, dass jüngere Kinder derselben Familie ebenfalls autistische Merkmale aufwiesen, nur auf zehn bis 20 Prozent.

John Constantino von der Washington University School of Medicine in St. Louis hebt die Bedeutung der Studie hervor: "Auch wenn ihre Gene nicht identisch sind, wachsen zweieiige Zwillinge doch in derselben Gebärmutter heran. Da bei so vielen zweieiigen Zwillingspaaren beide Kinder von Autismus-Spektrums-Störungen betroffen waren, zeigt dies, dass die Schwangerschaft als eine Zeit, in der Umweltfaktoren einen besonderen Einfluss ausüben, von großer Bedeutung ist."

Bei der Entstehung von Autismus könnten Faktoren wie Belastung, Ernährung, das Alter der Mutter und eingenommene Medikamente bedeutsamsein, erläutern die Experten. Welche Aspekte im Einzelnen das Risiko erhöhen, wurde in der Studie allerdings nicht ermittelt.