Bei der Demenzsprechstunde in der Axel-Springer-Passage gaben Experten Tipps zum Umgang mit der Krankheit

Hamburg. Etwa 25 000 Menschen sind in Hamburg von Demenz betroffen. Bundesweit sind es 1,3 Millionen Menschen. Ihre Zahl wird sich in den kommenden 40 Jahren vermutlich verdoppeln, prognostiziert das Bundesfamilienministerium. Wie ist den Betroffenen und ihren Angehörigen zu helfen? Diese Frage stand gestern Abend im Mittelpunkt einer Demenzsprechstunde, zu der die Diakonie Stiftung MitMenschlichkeit und das Hamburger Abendblatt in die Axel-Springer-Passage eingeladen hatten.

Wann spricht man von Demenz?

"Es ist nicht nur eine einfache Vergesslichkeit, sondern es müssen mehrere Krankheitszeichen zusammenkommen", sagt Dr. Georg Poppele, Chefarzt der Inneren Medizin am Evangelischen Krankenhaus Alsterdorf. Insgesamt seien die intellektuellen Fähigkeiten eingeschränkt. Die Auffassungsgabe, technisches Verständnis, Lernfähigkeit und Urteilsvermögen lassen nach. Ebenso die räumliche Orientierung, sodass die Betroffenen sich auf eigentlich bekannten Strecken verfahren oder verlaufen. Demenzkranken fällt es zunehmend schwerer, sich im Alltag zurechtzufinden und die Aufgaben des täglichen Lebens zu erledigen. "Bei einer mittelgradigen Demenz kann man den Haushalt in der Regel nicht mehr allein bewältigen und braucht Unterstützung", sagt Poppele. Oft ist auch die Stimmung der Betroffenen verändert; sie können leicht reizbar oder apathisch werden oder unter stark wechselnden Stimmungen leiden.

Was soll man bei Demenzverdacht tun?

Meistens fällt den Angehörigen zuerst auf, dass etwas nicht stimmt, wenn etwa Dinge nicht mehr geleistet werden können, die früher selbstverständlich waren. Poppele nennt Beispiele: "Ein früher sehr korrekter Mensch verpasst auf einmal häufig wichtige Termine. Oder jemand findet nach dem Einkaufen im Supermarkt, den er seit Jahren besucht, nicht mehr nach Hause. Dann sollte man zunächst mit dem Betroffenen behutsam über die eigenen Beobachtungen sprechen und ihn dazu bewegen, sich vom Hausarzt untersuchen zu lassen", rät Poppele. Mit dem Arzt sollte man dann das weitere Vorgehen besprechen. "Und auch wer bei sich selbst Symptome feststellt, sollte sich nicht scheuen, zum Arzt zu gehen."

Wie wird die Diagnose gestellt?

Am Anfang steht das ausführliche Gespräch des Patienten und Angehörigen mit dem Hausarzt. Zunächst gilt es, andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen, etwa eine Schilddrüsenunterfunktion oder eine Nierenerkrankung, so Poppele. Auch Medikamente oder Alkohol können eine Rolle spielen. Es folgen Untersuchungen mittels Computertomografie, damit man andere Erkrankungen des Hirns nicht übersieht.

Welche Probleme treten im Alltag auf?

"Das hängt vom Grad der Erkrankung ab", sagt Ingrid Neubauer von der Hamburger Alzheimer-Gesellschaft. Sie kennt die Probleme aus Erfahrung, denn sie hat jahrelang ihre demenzkranke Mutter betreut. "Gerade am Anfang der Erkrankung sind die Herausforderungen groß, und es kommt leicht zu Missverständnissen. Denn die Fähigkeiten des Kranken sind sehr unterschiedlich stark beeinträchtigt, sodass Angehörige leicht das Gefühl bekommen, der Kranke wolle sie herausfordern, weil er einige Dinge gar nicht mehr kann, in anderen Situationen aber kaum Defizite zu erkennen sind." Zudem werde ein Mensch, der allmählich seine kognitiven Fähigkeiten verliert, unsicher und misstrauisch. Wenn die Krankheit fortgeschrittener ist, wird die Abhängigkeit vom Angehörigen größer. Neubauer: "Er muss die Defizite abfangen und die Verantwortung für den Kranken übernehmen, ihn aber gleichzeitig mit Respekt behandeln."

Welche Hilfsangebote gibt es?

"Als Stiftung richten wir unser Augenmerk besonders auf die ambulante Versorgung", sagt Sonja Schneider-Koch, Fachreferentin für Demenz im Diakonischen Werk Hamburg. Der Gesetzgeber habe schon lange zusätzliche Leistungen für Demenzkranke aufgenommen, zum Beispiel den Betreuungszuschuss von bis zu 200 Euro pro Monat. Damit kann man zum Beispiel einen Pflegedienst engagieren, um betreuende Angehörige stundenweise zu entlasten. Schneider-Koch rät: "Sprechen Sie Ihre Krankenkasse an, holen Sie sich Rat bei Wohlfahrtsverbänden oder Beratungsdiensten." Ihr ist auch die gesellschaftliche Ebene wichtig. Hamburg müsse sich fragen, was zu tun ist, um eine demenzfreundliche Stadt zu werden.

Was tut die Alzheimer-Gesellschaft?

"Es geht uns vor allem um Informationen, damit die Betroffenen und ihre Angehörigen lernen, die Krankheit zu akzeptieren", sagt Ingrid Neubauer. Die Angehörigen sollten in die Lage versetzt werden, den Weg mit den Betroffenen mitzugehen. Für sie gibt es Gesprächsgruppen, in denen sie sich austauschen und öffnen können. Außerdem bietet die Alzheimer-Gesellschaft Betreuung von Erkrankten an, sodass die Angehörigen etwas Zeit für sich haben. Diese Betreuung geschieht entweder in Gruppen oder durch Helfer, die für einige Stunden ins Haus kommen. Menschen mit beginnender Demenz können bei der Alzheimer-Gesellschaft an Gesprächs- und Malgruppen und an Gruppen mit Gedächtnistraining, Spiel und Spaß teilnehmen. Außerdem können sie zweimal in der Woche an einem Tagestreff teilnehmen.

Wie schnell schreitet die Krankheit fort?

Das schwanke sehr stark von Patient zu Patient, sagt Georg Poppele und nennt dennoch Zahlen: "Früher lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei rund sieben Jahren. Heute ist sie etwa doppelt so hoch, denn auftretende Komplikationen sind besser behandelbar und die Angebote zur Unterstützung von Demenzkranken sind deutlich besser." Der Arzt macht Mut: "Nach der Diagnose können noch viele lebenswerte Jahre gewonnen werden, für die Betroffenen und auch für deren Angehörige."