Europäische Behörden warnen vor Bockshornklee. Weiterer Todesfall in Niedersachsen

Parma/Stockholm. Ist der gefährliche EHEC-Erreger aus Ägypten eingeschleppt worden? Nach Ermittlungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des Europäischen Zentrums zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben Bockshornklee-Samen aus dem nordafrikanischen Land sowohl bei der Durchfall-Epidemie in Deutschland als auch bei den jüngsten Erkrankungen in Frankreich eine Rolle gespielt. Es sei allerdings noch unsicher, ob dies die gemeinsame Ursache aller EHEC-Erkrankungen sei.

Bockshornklee-Samen können in Curry, eiweißhaltigen Fitnesspulvern und Käse enthalten sein. Auch werden sie häufig für die Zubereitung von saurem, eingelegten Gemüse benutzt.

In Deutschland hat die Durchfallerkrankung inzwischen 48 Todesopfer gefordert. Gestern starb eine 74-Jährige Frau aus dem Raum Hannover an den Folgen der gefährlichen Komplikation der EHEC-Infektion, dem Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS). Seit Ausbruch der Epidemie Anfang Mai sind nach Angaben des Robert-Koch-Instituts 3951 Deutsche nachweislich an EHEC oder HUS erkrankt, davon mehr als 800 in Hamburg.

Der ägyptische Landwirtschaftsminister Eiman Farid Abu Hadid wies die Darstellung der europäischen Behörden gestern zurück. Es sei ausgeschlossen, dass verseuchte landwirtschaftliche Produkte aus Ägypten die Ursache der EHEC-Ausbrüche in Deutschland und Frankreich seien. In Ägypten kommt es allerdings immer wieder vor, dass Bauern Abwasser zum Bewässern ihrer Felder benutzen - mit Folgen für die Gesundheit der Menschen, die das auf diesen Feldern geerntete Gemüse, Obst oder Getreide verzehren. 2009 war in einer Studie des ägyptischen Umweltministeriums genau auf dieses Risiko hingewiesen worden.

Über mögliche Risiken für deutsche Verbraucher sprachen gestern in einer Telefonkonferenz Vertreter der Verbraucherschutzbehörden der Länder und des Bundesinstituts für Risikobewertung. Ihnen zufolge gibt es bisher keinen EHEC-Fund auf Bockshornklee-Samen. Dennoch sollen die Ermittlungen vorangetrieben werden. "Es gilt weiter die Empfehlung, keine Sprossensamen und rohen Sprossen zu verzehren, auch keine selbst gezogenen", sagte der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt. Auch ältere Sprossensamen sollten vorsichtshalber entsorgt werden, rät Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale. Weitere Vorsichtsmaßnahmen seien nicht nötig: Von Curry, Käse und anderen Produkten mit Bockshornklee-Samen gehe nach jetzigem Erkenntnisstand keine Gefahr aus.

Bund und Länder wollen jetzt erste Lehren aus der EHEC-Welle ziehen. Künftig gebe es eine einheitliche Lagebeurteilung, sagte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) gestern nach Gesprächen mit seinen Ressortkollegen. Die einzelnen Meldungen etwa über Infizierte dürften nicht länger bis zu vier Tage auflaufen, bevor sie gesammelt weitergeleitet würden. Zudem wollen die Länderminister die Krankenkassen notfalls per Gesetz zwingen, den Kliniken die Millionenkosten für EHEC-Patienten zu ersetzen.

Die EHEC-Krise hat offenbar auch die Verbraucher deutlich verunsichert: Die deutschen Einzelhändler erlösten im Mai drei Prozent weniger als im Monat zuvor. Einen noch stärkeren Rückgang habe es mit 3,7 Prozent zuletzt im Mai 2007 gegeben, teilte das Statistische Bundesamt mit.