Überschwemmte Straßen und Keller sind vermeidbar. Eine Forscherin der TU Harburg hat Pläne, wie wir Starkregen ableiten könnten.

Hamburg. Regenfluten gehören nicht in die Kanalisation, sondern müssen mit flexiblen Systemen gebändigt werden, die neue Wege im Hochwasserschutz erfordern. Davon ist Natasa Manojlovic vom Institut für Wasserbau der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) überzeugt. "Niederschläge, wie wir sie Anfang vergangener Woche erlebt haben, werden durch den Klimawandel häufiger auftreten. Aber wir wissen nicht, wie häufig und stark sie in Zukunft sein werden. Deshalb macht es wenig Sinn, viel Geld in den Ausbau einer starren Infrastruktur wie das Sielsystem zu stecken."

Überschwemmte Geschäfte in der Europa-Passage, mehr als knietiefes Hochwasser auf Straßen, in Unterführungen, an U-Bahn-Abgängen - Hamburg wurde zum Schauplatz einer modernen Sintflut, die Gott sei Dank nur wenige Stunden andauerte. Der Deutsche Wetterdienst registrierte in den östlichen Hamburger Stadtteilen 40 bis 60 Liter Regen pro Quadratmeter, im Westen etwas weniger. Und das private Institut für Wetter- und Klimakommunikation maß auf der Spitaler Straße 43,2 Liter Regen, der in knapp einer Viertelstunde fiel. Bei solchen Wassermassen müssen das Sielsystem und die an ihm angeschlossene Kläranlage Köhlbrandhöft/Dradenau passen.

+++Unwetter-Bilanz: 80 Liter Regen pro Quadratmeter+++

"Wir brauchen ein abgestuftes Regenwassermanagement", sagt Manojlovic. "Am besten wäre es, wenn die Wasserströme verletzliche Gebäudeteile, etwa das Untergeschoss der Europa-Passage, gar nicht erst erreichen würden. Dazu müssen sie zuvor abgeleitet werden. Dies kann mit mobilen Hochwasserschutzelementen geschehen, die nur installiert werden, wenn mit Starkregen zu rechnen ist."

Solche künstlichen Leitplanken machen jedoch nur Sinn, wenn es in der Stadt genügend Retentionsräume gibt: Zwischenlager für überschüssiges Wasser, das dort entweder allmählich versickert oder später gezielt weggeleitet oder -gepumpt wird. Die Wasserbauingenieure der TUHH sprechen von "multifunktionalen Flächen" und meinen damit Parks und andere Grünbereiche, aber auch Parkplätze oder sonstige versiegelte Flächen, die kurzfristig zu Auffangbecken werden. Als Verbindungswege könnten zum Beispiel Nebenstraßen genutzt werden, deren Häuserzeilen hochwasserdicht ausgerüstet werden.

Neben dem Konzept "gar nicht erst hineinfließen lassen" müssten an sensiblen Stellen Pumpen vorhanden sein, die einströmendes Wasser zum Beispiel von der Gebäudeelektrik fernhalten, so Manojlovic. Dies gelte auch für das Hamburger U-Bahnnetz. In Japan gebe es dagegen die Strategie, U-Bahntrassen als Abflussrohre zu nutzen. "Das japanische Konzept lässt das Wasser hinein und sorgt dafür, dass es schnell, etwa innerhalb einer halben Stunde, wieder abfließt. Natürlich muss die Elektrik wasserdicht sein. Zudem fällt der Bahnverkehr eine Zeit lang aus." Die bestehenden Hamburger Trassen seien dafür nicht ausgelegt, aber die in Bau befindliche U 4 könnte entsprechend aufgerüstet werden, meint die TU-Expertin.

Die Hamburger Behörden und die Feuerwehr haben Stadtkarten, in denen Hochwasser-Hotspots eingezeichnet sind. Diese lägen oftmals in der Nähe von Gewässern, sagt Manojlovic, etwa an der Kollau und Wandse. Besonders kritisch werde die Situation, wenn, wie am Montag, der kleine, träge dahinfließende Bach innerhalb kurzer Zeit zum reißenden Gewässer mutiert und gleichzeitig die Kanalisation überfordert ist. Oftmals sei den Gewässern viel zu wenig Raum gelassen worden, sagt die Wasserbauingenieurin.

"Sie können sich auf dem Stadtplan anschauen, wie dicht an die Gewässer herangebaut wurde. Das ist ein klassischer Konflikt zwischen den Wasserbauern - und übrigens auch den Naturschützern - und den Stadtplanern, die attraktive Wohnlagen schaffen wollen." Derzeit erarbeitet eine Projektgruppe aus Behördenmitarbeitern, Wissenschaftlern, Naturschützern und Anwohnern einen Hochwasserrisiko-Managementplan für besonders kritische Bereiche der Wandse. Er könnte zur Blaupause werden für einen sensibleren Umgang mit den Wasserläufen.

Die Renaturierung von Bächen inklusive neuer Auen gehört zum Repertoire des flexiblen Hochwasserschutzes, ebenso die Förderung von Gründächern (sie wirken wie Schwämme) oder die Anlage von Mulden in Neubaugebieten. In den Vertiefungen sammelt sich das Regenwasser, das von versiegelten Flächen abfließt und gleich filtriert wird.

Zudem entstünden derzeit eine ganze Reihe von Produkten, mit denen Hausbesitzer ihr Gebäude schützen können: mobile Schutzschilde (etwa von Aqua-Stop oder Mobildeich), die zum Teil sogar auf ein Sensorsignal hin automatisch ausgefahren werden, wenn niemand zu Hause ist. Manojlovic: "Die sogenannten smarten Systeme werden aktuell an mehreren Instituten auf ihre Praxistauglichkeit getestet. Ziel ist ein europaweiter Katalog der besten Systeme, der ins Internet gestellt werden soll. Aber so weit sind wir noch nicht."