Flugasche, in der Schwermetalle und Gifte enthalten waren, könnte einst das größte Massenaussterben in den Ozeanen ausgelöst haben

Calgary/Berlin. Eine gigantische Giftwolke breitet sich aus Sibirien über den Globus aus, vergiftet das Wasser der Weltmeere und tötet so das meiste Leben in den Ozeanen. So ähnlich stellen sich Stephen Grasby und Hamed Sanei vom Geologischen Dienst Kanadas in Calgary sowie Benoit Beauchamp von der dortigen Universität die Katastrophe vor gut 250 Millionen Jahren vor. Aufsteigendes Magma hätte damals ein Kohlenflöz explodieren lassen.

Reste der dabei entstandenen Flugasche haben die Forscher jetzt im Gestein in der kanadischen Arktis gefunden. In solcher Asche konzentrieren sich Schwermetalle und andere Gifte. Sie könnten eine Rolle beim Massenaussterben in der Zeit gespielt haben, schreiben die Forscher in einer Online-Publikation in "Nature Geoscience".

"Das Ganze ist eine sehr interessante Theorie", meint Wolfgang Kießling vom Berliner Museum für Naturkunde, der sich seit vielen Jahren mit solchen Massenaussterben in den Ozeanen beschäftigt. "Als Nächstes müssten aber Hinweise gesucht werden, dass solche Flugasche auch in anderen Regionen der Welt vom Himmel fiel." Schließlich löschte die damalige Katastrophe weltweit mehr als 90 Prozent aller Arten im Meer aus. Die Spuren dieses Artensterbens finden Forscher vor allem im Süden Chinas und in den Alpen. Bisher weiß niemand, ob die im Norden Kanadas gefundene Flugaschewolke auch bis in diese Regionen reichte.

Der Ursprung der Katastrophe könnte auf sibirischen Basaltfeldern liegen

Über die Ursache für das größte Artensterben, das der Globus bis heute gesehen hat, rätseln die Forscher seit Jahrzehnten. Ein starker Verdacht fiel schon lange auf die sogenannten Sibirischen Basaltfelder: In wenigen Hunderttausend Jahren kamen damals dort einige Millionen Kubikkilometer Lava aus dem Boden; noch heute bedeckt eine kilometerdicke Basaltschicht zwischen den Flüssen Ob und Lena eine Fläche, die weit größer als Deutschland ist. Die dabei frei werdenden Gase könnten den Globus zunächst in ein gigantisches Kühlhaus und danach in eine überdimensionale Sauna verwandelt und so die Katastrophe ausgelöst haben.

Auch die kanadischen Forscher tippen auf diese Basaltfelder in Sibirien. Eine der damals aufquellenden riesigen Blasen glutflüssiger Lava muss eine dicke Schicht Steinkohle getroffen haben. Dabei bildete sich noch unter der Oberfläche ein explosives Gemisch. Zur Explosion aber kommt es erst dann, wenn auch noch reichlich Sauerstoff vorhanden ist. Den fanden die aufquellenden Massen nach dem Durchbrechen der Erdoberfläche in der Atmosphäre und das Gemisch aus Magma und Kohle zündete. Bei dieser gewaltigen Explosion entstanden winzige Teilchen aus Kohlenasche, die von der Detonation und später von Winden weit durch die Luft getragen wurden. Gleich drei Schichten dieser Flugasche wurden kurz vor dem Massensterben im Gestein im hohen Norden Kanadas abgelagert, fanden die Forscher heraus.

Die Teilchen in diesen Schichten ähneln der heute noch in großen Kohlekraftwerken entstehenden Flugasche. Sie enthält neben Kohlenstoff reichlich Mineralien, aber auch Gifte wie Chrom und Arsen sowie Dioxine in beträchtlichen Mengen. Irgendwann fiel das Ganze als schwarzer Niederschlag auf die Erdoberfläche zurück. In den Weltmeeren schwappte danach eine giftige Brühe, die viele Organismen das Leben kostete. Gleichzeitig blockierte die schwarze Asche das Sonnenlicht, das viele Organismen zum Leben brauchen. Das betroffene Plankton und die Algen produzieren bei ihrer Fotosynthese genannten Form der Energiegewinnung auch Sauerstoff. Deshalb sank nach ihrem Verschwinden die Sauerstoff-Konzentration im Wasser.

Die Gewinner solcher Katastrophen sind häufig Cyanobakterien im Wasser. Für eine explosionsartige Vermehrung brauchen diese Mikroorganismen Nährstoffe wie Phosphat, das sie aus den abgestorbenen Lebewesen erhielten, und Spurenelemente wie Eisen, die von der Flugasche reichlich ins Wasser getragen wurden. Nach der Cyanobakterienblüte starben die Mikroorganismen, sanken in die Tiefe und wurden von anderen Bakterien zersetzt. Dabei aber wurde der restliche Sauerstoff im Wasser verbraucht und damit den letzten überlebenden höheren Organismen die Lebensgrundlage geraubt.

Bisher fand sich die Flugasche nur in Kanada

"Tatsächlich tauchen im Gestein aus dieser Zeit schwarze Schichten auf, die aus abgestorbenen Organismen entstehen", sagt Kießling. Wenn die Flugasche aber wirklich eine entscheidende Rolle gespielt haben soll, müsste sie sich auch über alle Weltmeere verteilt haben. Gefunden wurden ihre Spuren aber bisher nur im Norden Kanadas.

"Diese Arbeit wird sicher eine Reihe Untersuchungen auslösen, um Flugasche auch in Gebieten wie Europa und Südchina nachzuweisen", vermutet Wolfgang Kießling. Erst solche Funde könnten den Tatverdacht für die Flugasche erhärten.