Zum 50. Jahrestag der bemannten Raumfahrt: Interview mit Sigmund Jähn (74), der als erster Deutscher ins All flog. Ein Erlebnisbericht.

Hamburg. Er lernte Buchdrucker, wurde dann Oberstleutnant der DDR-Luftwaffe. Sein Flug in den Weltraum machte ihn zum Volkshelden, dabei hat sich Sigmund Jähn, 74, nie als Held gesehen. Mit dem Abendblatt sprach der Kosmonaut über seine Erlebnisse im All, die Bedeutung der Internationalen Raumstation ISS und Flüge zu weit entfernten Planeten.

Hamburger Abendblatt: Bekommen Sie immer noch Fanpost?

Sigmund Jähn: Ja, es liegt fast jeden Tag etwas im Briefkasten.

Wer schreibt Ihnen?

Jähn: Das ist ganz unterschiedlich. Menschen meines Alters, aber auch junge Leute. Offenbar wachsen immer neue Generationen von Raumfahrt-Fans heran. Sie wünschen sich ein Autogramm oder stellen mir viele Fragen - meistens die Klassiker: Wie fühlt sich das an im Weltraum, wie ist das in der Schwerelosigkeit? Darauf müsste ich eigentlich mit längeren Aufsätzen antworten. Solche Briefe bewahre ich für ruhige Stunden auf, die aber selten kommen. Immer wieder werde ich auch gefragt, ob die Amerikaner tatsächlich auf dem Mond waren - zu antworten, dass sie es waren, bin ich aber leid.

Es war schwierig, Sie zu erreichen, Ihr Terminkalender ist randvoll. Stört Sie dieser Trubel manchmal?

Jähn: Na ja, eigentlich bin ich mittlerweile Rentner und habe gerne mal meine Ruhe. Aber ich fühle mich auch verpflichtet, auf die vielen Anfragen zu reagieren. Ich halte Vorträge vor Ingenieuren, an Universitäten, in Planetarien und ich fliege immer noch regelmäßig nach Moskau, um alte Kontakte zu pflegen, denn ich habe dort ja lange für die Europäische Raumfahrtbehörde und das Deutsche Luft- und Raumfahrtzentrum gearbeitet.

Im August 1978 flogen Sie zur sowjetischen Raumstation "Saljut 6" - damit waren Sie der erste Deutsche im All. Der Aufenthalt dauerte fast acht Tage, währenddessen umkreisten Sie 125-mal die Erde. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Jähn: Nachdem uns die Rakete 200 Kilometer hinauf in den Weltraum gebracht hatte, war da zunächst dieser unwirkliche Moment: Ich staunte, dass ich wirklich weg war von der Erde, dass die Erde nicht mehr zu mir gehörte - oder ich nicht mehr zu ihr. Aber das hielt nur kurz an. Ich war sehr konzentriert auf meine Arbeit, denn mir war klar: Du darfst hier keinen einzigen Fehler machen, jeder Fehler kann tödlich sein. Deshalb habe ich meine Experimente erledigt und mir anfangs kaum Zeit für die Aussicht genommen. Aber das änderte sich langsam. Immerhin sah ich jeden Tag 16 Sonnenaufgänge - einer schöner als der andere.

Ihr schönster Moment im All?

Jähn: Es gab viele besondere Erlebnisse. Ein Höhepunkt war schon der Moment, als wir beim Hinflug schließlich an der Raumstation andockten und sich die Luken öffneten: Da schwebten uns die beiden russischen Kosmonauten entgegen, sie hatten nach einem alten Brauch Brot und Salz gemacht. Wobei das Brot natürlich eingepackt war, und mit Salz bestreuen konnten sie es in der Schwerelosigkeit natürlich nicht, deshalb hatten sie als symbolische Geste zwei Stück Zucker an die kleine Packung geklebt. Dieser Empfang war sehr bewegend. Ich hatte auch etwas mitgebracht: die Sonntagsausgabe der russischen Zeitung "Iswestija", die ich den Kosmonauten überreichte.

Wie stark hat sich die bemannte Raumfahrt seit ihren Anfängen verändert?

Jähn: Es hat enorme technische Fortschritte gegeben, auch die länderübergreifende Zusammenarbeit hat sich verbessert, wie die Internationale Raumstation ISS beweist: Amerikaner, Russen, Europäer - sie alle arbeiten dort eng zusammen. Wenn ich aber zum Beispiel die Chinesen betrachte, die sich bei ihren Weltraumambitionen nicht in die Karten schauen lassen, scheint es einigen Ländern derzeit auch oder schon wieder mehr um ihr Prestige zu gehen als um den internationalen Fortschritt in der Raumfahrt. Mein Traum ist: Wenn es irgendwann zum Mars geht - und in 30 oder 40 Jahren wird es zweifellos so weit kommen - dann sollte dies ein Projekt der ganzen Menschheit sein.

Welches sind die Herausforderungen der nahen Zukunft?

Jähn: Eine Zeit lang wird uns vor allem noch die Forschung auf der ISS beschäftigen. Die Raumstation soll ja mindestens bis 2020 weiterbetrieben werden.

Der Milliardär Richard Branson will Touristen in den Weltraum bringen und lässt dazu neuartige Raumschiffe bauen. Was halten Sie davon?

Jähn : Nichts. Tourismus im Weltraum ist nicht nach meinem Geschmack. Der Flug zur ISS sollte erst einmal eine rein wissenschaftliche Strecke bleiben.

Aber wäre es nicht schön, wenn möglichst viele Menschen den Weltraum erleben könnten?

Jähn: Schön ist vieles. Aber wenn ich die Umweltbelastung durch die Raumfahrt betrachte, bin ich dagegen, täglich Raketen zu starten. Das scheint mir sowieso ein Problem der Menschheit zu sein, dass wir die Ressourcen unserer Erde nicht genug achten. Wir blicken zum Himmel und träumen von Ausflügen zu weit entfernten Planeten - wir sollten dabei aber unseren eigenen Planeten nicht vergessen.

Planetarium Hamburg: Der Sprung ins All

Das Planetarium Hamburg zeigt anlässlich des 50. Jahrestages der bemannten Raumfahrt die "Fulldome"-Produktion "Der Sprung ins All". Der Animationsfilm von Mirage3D ist eine detailgenaue und authentische Rekonstruktion der Raumfahrtgeschichte. Sie enthält erstaunliche, lang geheim gehaltene Ereignisse der russischen Raumfahrt und der amerikanischen Gemini-, Apollo- und Shuttle-Missionen - und einen spannenden Blick in die Zukunft, von Spaceship One bis zur kommenden Mars-Mission.

Planetarium Hamburg , Hindenburgstraße 1b (Stadtpark), 22303 Hamburg; Eintritt: 8,50 Euro, ermäßigt: 5,50 Euro; Karten: 040 / 42886520, www.planetarium-hamburg.de

Termine im April 2011: • Mi, 06.04., 20:00 • Do, 07.04., 15:00 • Fr, 08.04., 16:30 • Sa, 09.04., 15:00 • Sa, 09.04., 17:30 • So, 10.04., 12:00 • Di, 12.04., 11:15 • Di, 12.04., 13:15 • Di, 12.04., 14:30 • Di, 12.04., 18:30 • Mi, 13.04., 16:15 • Do, 14.04., 12:00 • Do, 14.04., 17:00 • Fr, 15.04., 16:15 • Sa, 16.04., 15:30 • Sa, 16.04., 18:45 • Mo, 18.04., 15:00 • Di, 19.04., 12:00 • Mi, 20.04., 17:00 • Mi, 20.04., 19:30 • Do, 21.04., 12:00 • Sa, 23.04., 14:30 • So, 24.04., 15:00 • Mi, 27.04., 16:15 • Do, 28.04., 15:00 • Fr, 29.04., 16:15 • Sa, 30.04., 16:15. Weitere Termine in den folgenden Monaten.