Eine Expertin erklärt, warum man sich trotzdem über eine Begegnung freuen sollte

Wölfe haben immer noch einen schlechten Ruf. Biologin Gesa Kluth sagt, warum das gar nicht sein muss. Im Gegenteil, warum sich Menschen über eine Begegnung freuen sollten.

Hamburger Abendblatt:

Frau Kluth, wie viele Wölfe gibt es eigentlich?

Gesa Kluth:

Weltweit ungefähr 200 000, in Europa 20 000, in Deutschland etwa 60 bis 80 Wölfe.

Warum wurden Wölfe ausgerottet?

Kluth:

Zum einen, weil Wölfe die Haustiere der Menschen fressen. Zum anderen, weil sie als Konkurrenten bei der Jagd angesehen wurden. Es gibt jedoch in Mitteleuropa auch eine tiefe kulturelle Abneigung: Der Wolf wurde viele Jahrhunderte als das Böse hingestellt.

Dieses Negativ-Image hat er heute noch.

Kluth:

Ja, aber ich kann das nur teilweise nachvollziehen. Denn gleichzeitig haben wir uns ja mit dem Hund eine angepasste Version des Wolfes geschaffen. Wir lassen Hunde so sehr in unser Leben wie kein anderes Tier - seinen wilden Vorfahren aber lehnen wir ab.

Wie konnten die Wölfe überleben?

Kluth:

Erst spät begann das Umdenken, ein Bewusstsein für Artenschutz und Naturschutz entwickelte sich. Im Jahr 1990 wurde der Wolf deutschlandweit unter Schutz gestellt. Im Jahr 2000 wurden in der Lausitz erstmals Wolfswelpen geboren.

Wo leben die deutschen Wölfe?

Kluth:

In Sachsen und Südbrandenburg gibt es sechs Rudel und zwei Paare, die noch welpenlos sind. In Sachsen-Anhalt lebt ein weiteres Rudel.

Woher kommt der Hamburger Wolf?

Kluth:

Eventuell aus dem Rudel aus Sachsen-Anhalt. Oder aus Polen - Wölfe wandern Hunderte Kilometer.

Wie leben Wölfe?

Kluth:

Ihre Rückzugsgebiete sind Wälder, sie mögen aber auch offene Flächen. Für die Welpen graben sie Höhlen im Erdboden. Wölfe fressen Rehe, Wildschweine und Rothirsche - aber auch die Haustiere der Menschen. Ziegen und Schafe sind gefährdet.

Ist ein Wolf für Menschen gefährlich?

Kluth:

Normalerweise nicht. Das einzige, was man beachten muss: Menschen dürfen Wölfe nicht anfüttern. Es ist wie bei Bären. Wölfe sind keine Kuscheltiere. Sie könnten dreist werden und beim Versuch Futter zu ergattern, jemanden beißen. Ein Wolf kann einen Menschen töten, genau wie ein großer Hund einen Menschen töten kann.

Was sollte man tun, wenn man einem Wolf begegnet?

Kluth:

Erst mal sollte man sich total freuen, weil das etwas sehr Seltenes ist. Dann sollte man das bei den Naturschutzbehörden melden. Eine Begegnung mit einem Wolf ist wie eine Begegnung mit einem Reh: Man steht da, guckt das Reh an und geht weiter. So ist es auch beim Wolf. Der lebt sein Leben und geht. Weil er keine Beziehung zu Menschen hat.