Der Wissenschaftsrat beurteilt Krankenbetreuung als sehr gut, sieht in der Forschung jedoch Defizite in Organisation und Ausrichtung.

Hamburg. Zwei Jahre lang stand das Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) auf dem Prüfstand. Jetzt gab es die Bewertung: Der Wissenschaftsrat, der im Dezember 2008 von der Hamburger Wissenschaftsbehörde um eine Begutachtung gebeten worden war, präsentierte seinen Bericht. Der Rat, eines der wichtigsten wissenschaftspolitischen Beratungsgremien Deutschlands, bescheinigte darin dem UKE in den Punkten Krankenversorgung und Ausbildung gute Noten, sieht allerdings im Forschungsbereich große Defizite in der Organisation und Ausrichtung.

Eine Universitätsklinik ist nicht nur ein Krankenhaus der Maximalversorgung, sondern auch eine Ausbildungsstätte für angehende Mediziner und eine Forschungsstätte, die internationale Spitzenforschung leisten soll. Diese drei Aufgaben bewältigt das UKE aus Sicht der Bewertungsgruppe bis jetzt noch nicht auf durchgängig hohem Niveau. Besonders im Bereich der Forschung mahnt der Wissenschaftsrat in seiner "Stellungnahme zur Weiterentwicklung der Universitätsmedizin in Hamburg" eine Konzentration mit dem Ziel an, Spitzenleistungen auf einigen wenigen Bereichen zu erbringen - und sich nicht auf zu vielen Gebieten zu verzetteln.

Zwar wurden die Forschungsleistungen deutlich gesteigert: Von 2003 bis 2010 konnte das UKE seine Drittmittel-Einnahmen von 29,3 auf 56,3 Millionen Euro nahezu verdoppeln, und auch die Anzahl von Publikationen in Fachjournalen ist deutlich gestiegen (von 1076 in 2003 auf 1894 in 2009). Doch lässt dieses nicht ohne Weiteres Rückschlüsse auf die Qualität der Forschung am UKE generell zu. Diese wird nämlich sehr unterschiedlich vom Wissenschaftsrat bewertet: Gute Noten bekommen nur drei der insgesamt zehn vom UKE gesondert hervorgehobenen Schwerpunkte. Zum einen das Center for Health Care Research, einem nach den Kriterien des Wissenschaftsrates sehr leistungsstarken Schwerpunkt der in Deutschland noch jungen Disziplin der Versorgungsforschung, die direkt der Krankenversorgung zugute kommt. Des Weiteren wird das Hamburg Center of Neuroscience hervorgehoben, das vor allem auf den Gebieten Schmerz und Neuroplastizität mit bildgebenden und zellbiologischen Forschungen zu ersten wichtigen Ergebnissen führte. Der dritte qualitativ hochwertige Bereich ist das Center for Inflammation, Infection and Immunity mit seinem neu eingeworbenen Sonderforschungsbereich "Leberentzündungen".

Doch die Forderung nach einem wissenschaftlichen Profil, das dem internationalen Wettbewerb standhalten kann, ist nicht zu überhören: "Um das UKE wissenschaftlich national und international sichtbarer werden zu lassen, ist eine stärkere Fokussierung auf die Forschung in ausgewählten Schwerpunkten dringend erforderlich", heißt es im Bericht. Und dieser wird noch deutlicher: "Eine Forschungsstrategie mit dem Ziel, eine dem strukturellen und klinisch-wissenschaftlichen Potenzial des UKE angemessene Spitzenleistung in der Forschung zu erreichen, ist gegenwärtig nicht erkennbar."

Prof. Jörg Debatin, Ärztlicher Direktor des UKE, schließt sich dem Wunsch des Wissenschaftsrates nach mehr Konzentration an: "Wir sind immer noch zu breit aufgestellt. Dekanat und Vorstand des UKE unterstützen diese Forderung, die sich vor allem an die akademische Selbstverwaltung, den Fakultätsrat richtet. Dabei halte ich es für weniger entscheidend, ob am Ende drei oder fünf Schwerpunkte herauskommen, zumal sich die Forschungsgebiete oft überlappen."

Das Cardiovascular Research Center für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, den vierten Forschungsbereich, beurteilt Debatin deutlich positiver als der Wissenschaftsrat. Während das Gremium zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kriterien für einen Forschungsschwerpunkt nicht erfüllt sieht, berichtet Debatin von einer aktuellen Auszeichnung: "Vor zwei Monaten haben wir von der Helmholtz-Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung den Zuschlag als Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung bekommen."

Bei der Krebsforschung am UKE, gebündelt im University Cancer Center Hamburg, fehlt dem Wissenschaftsrat eine thematische Konzentration unter Beteiligung mehrerer Institute. "Beim Prostatakarzinom sind wir absolute Weltspitze und in anderen Bereichen wie der Metastasenforschung genießen UKE-Forscher hohe internationale Anerkennung", setzt Debatin dagegen.

Deutlich ausbaufähig sind nach Meinung des Wissenschaftsrates die Vernetzungen zwischen der Universitätsklinik und den naturwissenschaftlichen Fächern der Universität. Einen Fortschritt in dieser Richtung sieht Debatin zum Beispiel in der Änderung der Promotionsordnung, die seit einigen Monaten die Möglichkeit einräumt, an der medizinischen Fakultät den Dr. rer. nat. vergeben zu können, also eine naturwissenschaftliche Qualifizierung.

Gute Noten bekommt das UKE vom Wissenschaftsrat für die Medizinerausbildung, die durch den Neubau des Campus Lehre und das neue Trainingszentrum "MediTreFF" gute infrastrukturelle Rahmenbedingungen erhalten hat. Der Wissenschaftsrat begrüßt die Einführung eines humanmedizinischen Modellstudienganges spätestens zum Wintersemester 2012/2013, der an die aktuellen Strukturen des Bologna-Prinzips von Bachelor- und Masterstudiengang ausgerichtet werden soll.

Und schließlich ist die Krankenversorgung ein wichtiges Beurteilungskriterium. Dem UKE wird bescheinigt, dass es hier eine herausragende Stellung einnimmt, die allerdings noch besser für die Forschung genutzt werden sollte. Für Dr. Herlind Gundelach, Wissenschaftssenatorin und UKE-Kuratoriumsvorsitzende, ist dies ein Ansporn: "Ich bin zuversichtlich, dass das UKE es schaffen wird, optimale Krankenversorgung und Qualität in Forschung und Lehre bestmöglich miteinander zu verzahnen."