Ein Vorgespräch mit dem Arzt ist besonders wichtig: Das Risiko, unter Narkose zu sterben, erhöht sich für Menschen mit Vorerkrankungen.

Berlin. Der Tod unter Narkose von Erotikdarstellerin "Sexy Cora" hat Schlagzeilen gemacht. Sie ist nicht die Einzige - jährlich sterben in Deutschland rund 43.000 narkotisierte Menschen auf dem OP-Tisch. Doch das heißt nicht, dass immer die Narkose die Ursache war. Der Patient kann etwa auch durch einen Herzinfarkt gestorben oder verblutet sein.

In Deutschland laufen pro Jahr etwa zehn Millionen Operationen unter Narkose; rund 20.000 Anästhesisten führen die Betäubung durch. Ohne die Allgemeinanästhesie, wie Narkose auch genannt wird, wären Operationen etwa am Gehirn oder am Herzen gar nicht möglich. Aber: Jede Form der Anästhesie ist ein medizinischer Eingriff und dadurch mit Risiken verbunden.

Die Narkose soll Bewusstsein und Schmerz ausschalten. Zusätzlich werden sogenannte Reflexantworten verhindert: Muskelanspannungen oder Blutdruckanstieg werden blockiert. Hier wirken vier Blockaden zusammen: der mentale, sensorische, motorische und reflektorische Block. Der Patient befindet sich dann in einem schlafähnlichen Zustand, Geräte überwachen die Funktion aller wichtigen Organe. Bei manchen Operationen kommt ein Beatmungsschlauch zum Einsatz, damit der Patient genügend Sauerstoff erhält.

Wie jedoch Gedächtnisfunktion, Bewusstseinsverlust oder Schmerzempfinden zusammenwirken und die Narkose bestimmen, haben Mediziner noch nicht gänzlich erforscht. Zudem gibt es keine allgemein anerkannten Maßeinheiten oder Normwerte für die Narkose. Das bedeutet im klinischen Alltag, dass Erfahrungswerte und Hilfsgrößen wie etwa der Blutdruck die Dosis bestimmen.

"Vor jeder Narkose findet ein Vorgespräch statt. Bei uns dauert das im Durchschnitt 15 Minuten. Das hängt davon ab, wie sehr der Patient informiert ist und wie viele Fragen er hat", sagt Andrea Bischoff, Professorin am Uni-Klinikum Bochum. Hier sehen die Patienten erst einen Film und füllen dann einen Fragebogen aus, in dem etwa um Vorerkrankungen geht. Dies dient dem Anästhesisten als Grundlage für das Gespräch. Der Patient muss individuell auf Risiken hingewiesen werden und darf erst dann seine Einverständniserklärung unterschreiben. In manchen Fällen ist eine sogenannte Regionalanästhesie möglich: dabei ist der Patient wach, empfindet aber in einem größeren Teil seines Körpers keine Schmerzen. Dies funktioniert immer dann, wenn die Narkose oberhalb des Operationsgebiets gesetzt werden kann - bei einer Schulter-OP ist dies nicht möglich, bei einer Knie-OP schon.

Das individuelle Risiko von Operationen und Anästhesie hängt immer von den Vorerkrankungen, dem aktuellen Gesundheitszustand sowie der Größe und der Art des Eingriffs ab. Die schwerwiegendsten Komplikationen sind beispielsweise Herzinfarkt oder Kreislaufversagen. Diese sind aber sehr selten. Häufiger treten Übelkeit und Erbrechen auf, die sich meist einfach behandeln lassen.

Todeszahlen in Anästhesie sind in den Krankenhaus-Statistiken nicht erfasst. "Diese Zahlen existieren nicht, da Narkosen kein Selbstzweck sind und nicht jeder Tod im Zusammenhang mit Narkose ein Tod durch Narkose ist", sagt Bernd Landauer, Präsident des Berufsverbands Deutscher Anästhesisten. "Ein operativer Eingriff birgt immer auch ein Risiko." Mithilfe einer Studie aus dem Jahr 2008, die auf einer Erhebung von 195 Mitgliedstaaten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) beruht, lassen sich die Zahlen auf Deutschland herunterrechnen: Hierzulande gibt es rund 43.000 Todesfälle pro Jahr bei zehn Millionen Operationen unter Narkose. Die Zahlen sagten jedoch nichts über die Todesursache aus, so Landauer. Ein Herzpatient kann beispielsweise während einer Operation einen Herzinfarkt erleiden.

Die Zahlen vermitteln zudem den Eindruck, dass tödliche Verläufe häufiger werden. "Die steigenden Zahlen sind mit der demografischen Entwicklung zu erklären: Es gibt immer ältere Patienten und immer größere Eingriffe", sagt Landauer. Um das Risiko bei einer Anästhesie zu bestimmen, werden die Patienten je nach Vorerkrankungen in Klassifikationen der American Association of Anesthesiology (ASA) eingeteilt. Unter ASA-1 finden sich weitgehend gesunde Patienten. Das Sterberisiko an Anästhesie beträgt bei einem ASA-1 Patienten 0,04 pro 10.000 Anästhesien und hat sich seit den 1980er-Jahren nicht verändert.

Das Risiko steigt mit höherer ASA-Einstufung. Ein Patient ASA-4 (Patient mit einem schweren, lebensbedrohlichen körperlichen Leiden) hat ein Risiko von 5,5 pro 10.000 Anästhesien. Diese Zahlen stammen aus dem Ausland, sind aber auf Deutschland übertragbar. Jürgen Schüttler, Direktor der Anästhesiologischen Klinik der Universität Erlangen, sieht dennoch Bedarf an deutschen Studien und arbeitet mit Kollegen bereits an der Auswertung von zwei Datensammlungen.

Ein weiteres gefürchtetes Narkose-Problem ist die sogenannte unerwünschte Wachheit (Awareness): Der Patient wacht während der Narkose auf, kann sich aber nicht mitteilen, da seine Körperfunktionen stark eingeschränkt sind. Dies kann für ihn traumatisierend sein. Awareness kommt bei Erwachsenen in rund ein bis zwei Fällen von 1000 vor. Kinder sind öfter betroffen, ihr Risiko ist acht- bis zehnmal höher, da sie die Narkotika schneller verarbeiten. Immerhin gibt es hier - im Gegensatz zu den Todesfällen bei OPs - einen positiven Trend: Das Risiko, während einer Anästhesie aufzuwachen, war in den 1970er-Jahren noch fast zehnmal höher als heute.