Dr. Peter Düker, 42, Mediziner der Techniker Krankenkasse und Facharzt der Anästhesie

1. Hamburger Abendblatt:

40.000 Patienten sterben in Deutschland jedes Jahr bei Eingriffen unter Vollnarkose. Ist jede Narkose per se gefährlich?

Peter Düker:

Keine Narkoseform ist frei von Risiken. Unterschiede ergeben sich zum einen aus der Methode, zum anderen aus dem jeweiligen Gesundheitszustand des Patienten. Ein älterer Patient, vielleicht mit erheblichen Vorerkrankungen, unterliegt deshalb höheren Risiken als ein junger, gesunder Mensch.

2. Selbst bei Zahnbehandlungen gibt es Vollnarkosen. Ist ein Narkose-Risiko bei so leichten medizinischen Eingriffen gerechtfertigt?

Düker:

Das muss man im Einzelfall abwägen. Wenn zum Beispiel eine Angststörung bei einer notwendigen Zahnbehandlung so stark ist, dass keine andere Form der Betäubung infrage kommt, dann kann auch eine Narkose gerechtfertigt sein. Aus meinen Erfahrungen funktioniert dieses Abwägen der Risiken in der Praxis sehr gut.

3. Unterschätzen Patienten das Risiko einer Vollnarkose?

Düker:

Viele Patienten unterschätzen die Gefahren durchaus. Es werden oft zu leicht Vollnarkosen gewünscht, weil die Betroffenen meinen, nur auf diese Weise nichts von dem Eingriff mitzuerleben. Früher wurden sogar beim Kaiserschnitt von Patientinnen gern Vollnarkosen verlangt. Da können die Risiken schnell verdrängt werden oder es wird nicht gesehen, dass es auch sinnvolle Alternativen einer regionalen Anästhesie gibt mit den Möglichkeiten eines schlafähnlichen Zustandes.

4. Heißt das dann auch, es werden von vielen Medizinern Vollnarkosen viel zu leichtfertig eingesetzt?

Düker:

Das glaube ich nicht. Wenn Patienten aber auf eine Vollnarkose drängen, haben es Ärzte oft schwer, sie davon abzubringen. Letztlich kommt es auch auf den Eingriff selbst an und darauf, wie eine Klinik organisiert ist. Heute finden immer mehr ambulante Operationen statt, eine regionale Anästhesie ist aber zeitaufwendiger in der Vorbereitung wie in der Nachbeobachtung. Das sind organisatorische Hürden, die gerade bei ambulanten Eingriffen die Entscheidung zu Vollnarkosen leichter machen.

5. Was können Patienten tun, um sicher zu sein, dass der Narkosearzt sein Fach beherrscht?

Düker:

Auf alle Fälle sollte sich jeder Patient vor dem Eingriff genau erklären lassen, welche Anästhesiemöglichkeiten für ihn infrage kommen. Dafür ist extra ein Gespräch vorgeschrieben, die sogenannte Narkoseaufklärung, die der Patient mit seiner Unterschrift bestätigen muss. Dieses Gespräch muss es immer geben, wenn ein Anästhesist bei dem Eingriff dabei ist. Auch nach dessen Ausbildungsstand kann man fragen.