Im EU-Projekt FishPopTrace entwickeln Forscher neue Analyseverfahren, um illegalen Fischfang und falsche Etikettierungen nachzuweisen.

Hamburg. Sie fangen mehr Fisch als erlaubt und werfen ihre Netze auch in Schutzzonen aus: Piratenfischer, wie Umweltschutzorganisationen die Akteure der illegalen, unregulierten und ungemeldeten Fischerei (IUU-Fischerei) nennen. Schätzungen zufolge landen weltweit pro Jahr bis zu 26 Millionen Tonnen Fisch unrechtmäßig in den Netzen - bis zu einem Viertel des globalen Fischfangs.

Von gesetzlichen Vorschriften lassen sich Piratenfischer nicht abhalten; es würde sie auch nicht stören, wenn die Fangquoten herabgesetzt würden. Die Behörden wiederum können nicht auf jedem Schiff Beobachter platzieren. In der EU müssen Schiffe ab zehn Meter Länge zwar ein GPS-System an Bord haben, durch das sie geortet werden können. Doch auch wenn Fischer sich nachweislich in einer Zone aufhalten, für die sie keine Fangberechtigung haben, können Kontrolleure nicht immer nachweisen, ob der Fisch an Bord aus dieser Zone stammt - ebenso wie bei Fischern, die in einer Schutzzone aufgegriffen werden, in der überhaupt kein Fisch gefangen werden darf.

Nun sollen modernste wissenschaftliche Methoden helfen, gegen illegale Fischerei vorzugehen. In dem von der EU mit 3,9 Millionen Euro geförderten Projekt FishPopTrace erprobt ein internationales Forscherteam neue Tests, um die Herkunft eines Fisches bis zu seinem ursprünglichen Bestand in einer bestimmten Meeresregion zurückverfolgen zu können. Im Februar wollen die Wissenschaftler ihre Ergebnisse in Brüssel präsentieren.

imahr wohl vielversprechendster Test stützt sich auf sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen (Single Nucleotide Polymorphisms), kurz SNP. Dabei handelt es sich um vereinzelte, in der Regel nicht schädliche Mutationen im Erbgut, die bei allen Organismen vorkommen, die sich aber innerhalb einer Art unterscheiden können - abhängig davon etwa, wo die Bestände einer Art leben. Ausgehend von diesem Phänomen hat das Team von FishPopTrace die DNA der vier am meisten gefangenen europäischen Fischarten - Hering, Kabeljau, Seezunge und Europäischer Seehecht - analysiert, um festzustellen, welche SNP charakteristisch für die Bestände in unterschiedlichen Regionen sind.

Im Gegensatz zu anderen Tieren seien bei Fischen erst sehr wenige SNP erfasst gewesen, sagt der Meeresbiologe Prof. Marc Kochzius, der an der Universität Bremen an dem EU-Projekt mitgearbeitet hat und mittlerweile an der Freien Universität Brüssel forscht. "Durch FishPopTrace ist es das erste Mal gelungen, bei kommerziell wichtigen Fischarten eine größere Zahl von SNP zu erfassen."

Hinter den Forschern liegen zwei Jahre Arbeit. Zunächst nahmen sie Proben von je 50 Fischen aus 20 Beständen in europäischen Meeren und identifizierten SNP, die charakteristisch für den jeweiligen Bestand sein könnten. Daraus errechneten sie, mit welcher Wahrscheinlichkeit bestimmte SNP in einem Bestand vorkommen, und entwickelten danach miniaturisierte Sonden, SNP-Chips, die jeweils 1536 SNP identifizieren können. Dann testeten die Forscher, ob die SNP-Chips verlässlich zwischen Proben aus verschiedenen Beständen unterscheiden konnten.

Die große Frage dabei war, wie viele SNP nötig sein würden, um den Bestand zweifelsfrei zu bestimmen. Denn, erläutert Marc Kochzius, je weniger SNP, desto einfacher und kostengünstiger könnten Chips gebaut werden, die später in Laboren zum Einsatz kommen könnten. Das Ergebnis war überraschend: Mit gerade einmal 20 SNP gelang es den Forschern, etwa Kabeljau aus dem Atlantik von solchem aus der Ostsee zu unterscheiden; mit nur zehn SNP erreichten sie immer noch eine Wahrscheinlichkeit von 96 Prozent. Zur Unterscheidung von Seezunge aus der Nordsee und dem Mittelmeer genügte sogar nur ein SNP, um mit 96-prozentiger Wahrscheinlichkeit richtig zu liegen. Zehn SNP genügten, um in der Biskaya gefangenen Europäischen Seehecht von solchem aus dem Mittelmeer zu unterscheiden.

Angestrebt werde, dass die Daten, die sich mit dem Test gewinnen ließen, präzise genug seien, um als Beweismittel in Gerichtsverfahren zu dienen, sagt der Leiter von FishPopTrace, Gary Carvalho, Professor für Molekularökologie an der Bangor University in Wales. Ein weiterer Vorteil des DNA-Tests sei, dass er prinzipiell "in der gesamten Lieferkette genutzt werden kann, vom Fang an Bord eines Schiffs über in Dosen verarbeiteten oder gefrorenem Fisch bis zum Gericht auf dem Teller".

Deutsche Experten loben FishPopTrac, äußern aber auch Skepsis: "Das Projekt schließt viele Datenlücken und könnte für mehr Transparenz sorgen", sagt Karoline Schacht, Fischereiexpertin des WWF. Womöglich könne man den neuen Gentest einsetzen, um einer falschen Etikettierung durch kriminelle Händler auf die Schliche zu kommen. Er könne vielleicht auch interessant für Supermarktketten sein, die bewusst nur Fisch aus intakten Beständen verkaufen und Sicherheit über die Herkunft erhalten wollten. Sie bezweifle aber, dass der Test illegal gefangene Fische von legal gefangenen unterscheiden und damit direkt gegen Piratenfischer wirken könne. Das sieht auch Prof. Christopher Zimmermann so, stellvertretender Leiter des Instituts für Ostseefischerei am Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut. "Selbst wenn die Bestände einer Art weitestgehend getrennt voneinander leben, kann man nie ausschließen, dass es an den Rändern der Verbreitungsgebiete zu Vermischungen kommt. Wie soll man einem Fischer beweisen, dass er etwa Fische, die aus der westlichen Ostsee in die östliche Nordsee geschwommen sind, in der Ostsee gefangen hat?"

Er sieht aber auch weitere Vorteile: "Landen in einem Netz Fische der gleichen Art aus verschiedenen Beständen, ist es bisher nur schwer möglich, ihre Herkunft zu unterscheiden. Wenn der Test das tatsächlich leisten kann, wäre das ein Riesenfortschritt, um die Entwicklung und Dynamik von Fischbeständen zu erfassen."