Die Agrarministerin fordert bei EU-Verhandlungen über Fangquoten Wissenschaft als Richtschnur

Berlin/Brüssel. Die Wissenschaftler sind sich einig: 90 Prozent der Fischbestände seien überfischt, warnt der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES). Wenn die Fischereiminister der Europäischen Union heute in Brüssel die Nordsee-Fangquoten für das Jahr 2011 festlegen, will Bundesagrarministerin Ilse Aigner (CSU) auf diese Warnrufe reagieren.

Sie fordert klare EU-Vorgaben für Fangquoten. "Bei den anstehenden Verhandlungen über die Festsetzung der Fangmengen für 2011 sind die wissenschaftlichen Empfehlungen für uns die Richtschnur", sagte die CSU-Politikerin dem Hamburger Abendblatt. Die nachhaltige Bewirtschaftung der Fischbestände müsse das zentrale Ziel der europäischen Fischereipolitik sein", hob Aigner hervor. Auch für die Vermeidung von unerwünschten Beifängen wolle sie sich mit Nachdruck einsetzen: "Wir wollen, dass es auch in Zukunft eine Fischerei in Deutschland gibt." Heute und morgen tagt in Brüssel der Agrar- und Fischereirat. Dort soll ein Vorschlag für eine Verordnung ausgearbeitet werden, der Fangquoten für bestimmte Fischbestände in den EU-Gewässern und für EU-Schiffe in nicht europäischen Gewässern bestimmt.

Zu den Fischbeständen in der Nordsee, die für die deutsche Fischerei besonders wichtig sind, zeichnet Aigner ein gemischtes Bild. Die Bestände an Nordseehering und Scholle haben sich dank der Managementmaßnahmen deutlich erholt. Hier würden die wissenschaftlichen Empfehlungen eine Erhöhung der Fangmengen um 22 Prozent beziehungsweise 15 Prozent zulassen. Der Nordseekabeljau konnte sich laut Aigner bisher nicht erholen. Deshalb schlage die Wissenschaft und ihr Ministerium hier eine Kürzung um 20 Prozent vor. Auch bei Seelachs solle die Fangmenge verringert werden, um eine nachhaltige Fischerei sicherzustellen. Diese Zahlen sind es auch, die die EU-Kommission nach Informationen der "Welt" bei den Verhandlungen über die Fangquoten vorschlagen will. Schon länger plant die EU im Kampf gegen Überfischung, die Fangquoten vieler Arten drastisch zu verringern. Mittlerweile muss Europa 60 Prozent der Fische importieren. Die schrumpfenden Bestände sind eine Gefahr für eine Fischindustrie, in der in Europa etwa 400 000 Menschen arbeiten.

Karoline Schacht, Fischereiexpertin der Umweltstiftung WWF, sieht vor den Verhandlungen in Brüssel aber einen durchaus positiven Trend in der europäischen Fischereipolitik. Brüssel bemühe sich um mehr Nachhaltigkeit, sagte Schacht der "Welt". Die Quotenvorschläge orientierten sich stärker als in früheren Jahren an den Empfehlungen des ICES, einem Gremium, dem 1600 Forscher angehören.