Prof. Christian Büchel bekam bereits den Leibniz-Preis, jetzt wird er für seine Studien zu Angst und Sucht mit 150.000 Euro ausgezeichnet.

Hamburg. Er bekommt eine Auszeichnung nach der anderen: Nachdem im Dezember bekannt gegeben wurde, dass Prof. Christian Büchel (45) den Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhält, wird seine Arbeit jetzt auch mit dem Hamburger Ernst-Jung-Preis für Medizin gewürdigt. Der mit 300 000 Euro dotierte Preis geht zu gleichen Teilen an den Direktor des Instituts für Systemische Neurowissenschaften am Universitätsklinikum Eppendorf und den Niederländer Prof. Hans Clevers (52) vom Hubrecht-Institut in Utrecht. Damit gehört zum zweiten Mal in der Geschichte dieser Auszeichnung ein Hamburger Forscher zu den Preisträgern.

Der Jung-Preis wurde 1967 von dem Hamburger Kaufmann und Reeder Ernst Jung (1896-1976)gestiftet und wird seit 1976 jährlich vergeben. Er ist einer der höchstdotierten europäischen Forschungspreise. "Dieser Preis ist für mich eine große Ehre", sagt Büchel, der für seine wegweisenden Arbeiten zum Gedächtnis und der Entstehung von Furcht und Sucht im menschlichen Gehirn ausgezeichnet wird.

In weiteren Studien soll krankhafte Angst erforscht werden

Die Arbeiten von Büchel und seinen Kollegen entwickelten sich aus der Frage, was beim Lernen im Gehirn eines Menschen geschieht: "Und von dieser reinen Lernforschung wollten wir dann eine Brücke schlagen in andere Gebiete." In ihren Untersuchungen arbeiteten sie mit dem klassischen Lernmodell, der Konditionierung. Sie zeigten den Studienteilnehmern Bilder, die mit einem kleinen - zwar harmlosen, aber doch unangenehmen - elektrischen Reiz verbunden waren. "Durch die gleichzeitige Anwendung von bildgebenden Verfahren fanden wir heraus, welche Hirnregionen bei der Entstehung von Furcht vor einem Reiz bei gesunden Menschen beteiligt sind und welche Mechanismen bei ihnen zur Entstehung von Angst beitragen", erklärt Büchel. Diese Forschungen bilden die Grundlagen für weitere Studien, in denen krankhafte Angst erforscht werden soll. "Wir wissen auch, dass erlernte Furcht oder Angst nicht ohne Weiteres wieder aus dem Gedächtnis gelöscht werden kann. Aber die Angstforschung hat gezeigt, dass sich die erlernte Angst durch neue Erfahrungen überschreiben lässt", sagt Büchel und nennt als Beispiel einen Patienten mit Angst vor großen Höhen, der mithilfe des Therapeuten wieder lernen kann, sich auch in großer Höhe sicher zu fühlen.

In der Suchtforschung fanden Wissenschaftler in Versuchen mit Tieren, dass das Belohnungssystem tief im Gehirn durch den Konsum von Kokain aktiviert wird. Dabei zeigte sich unter anderem, dass der Konsum von Kokain umso höher war, je weniger aktiv das Belohungssystem eines Tieres im normalen Leben war. "Übertragen auf den Menschen könnte das bedeuten, dass bei manchen Menschen das Belohnungssystem stärker Reize braucht, um aktiv zu werden", sagt Büchel. Sie hätten vor einigen Jahren mit einer Studie begonnen, in der 2000 Jugendliche daraufhin untersucht werden. "Diese werden wir über fünf bis zehn Jahre begleiten und sehen, ob diejenigen mit einer niedrigen Aktivität des Belohnungssystems Probleme mit Drogen- oder Alkoholkonsum bekommen."

Prof. Hans Clevers wird für Arbeiten zum Darmkrebs ausgezeichnet

Dazu, wie Sucht im weiteren Verlauf aufrechterhalten wird, haben die UKE-Forscher folgende Hypothese aufgestellt: "Normalerweise können wir unser Handeln in der Gegenwart so gestalten, dass wir in der Zukunft gut für uns sorgen. Bei Menschen, die Drogen nehmen, scheint dieses Prinzip aber nicht optimal zu funktionieren: Der Belohnungsreiz im Hier und Jetzt durch den Konsum der Droge wiegt stärker als spätere Nachteile, obwohl die negativen Konsequenzen des Drogenkonsums auf längere Sicht bekannt sind", so Büchel. Bei ihren Studien hätten sie auch festgestellt, dass mit gewissen Techniken Belohnungen, die in der Zukunft liegen, mehr wertgeschätzt würden. Büchel: "Diese Erkenntnisse könnte man auch in Therapien umsetzen"..

Jetzt wollen die Forscher diese Zusammenhänge auch bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen untersuchen. Eine Vermutung ist zum Beispiel, dass diejenigen, denen immer wieder Versprechen gemacht, aber nicht eingehalten wurden, anfälliger sind für die Entstehung einer Sucht.

Mit dem Preisgeld in Höhe von 150 000 Euro will Büchel die Forschung in seinem Bereich weiter voranbringen. Die zweite Hälfte des Preises erhält Prof. Hans Clevers für Arbeiten zur Aufklärung der molekularen Ursachen des Darmkrebses, die für die Entwicklung neuer Therapien genutzt werden könnten. Der Ernst-Jung-Karriere-Förder-Preis für medizinische Forschung in Höhe von 210 000 Euro geht an Dr. Stefan Schrader (34), zurzeit am Institute of Ophthalmology /Moorfields Eye Hospital in London. Der junge Forscher wird damit sein Projekt zur Entwicklung von Gewebe zur Rekonstruktion der Augenoberfläche fortsetzen.

Mit der Ernst-Jung-Medaille für Medizin in Gold 2011 ehrt die Jung-Stiftung Prof. Michel Lazdunski (72) vom Institut de Pharmcologoe Moléculaire et Cellulaire in Nizza für sein Lebenswerk: Forschungen zu Ionenkanälen, die zu Durchbrüchen in der Pharmakologie, Physiologie und Pathologie geführt haben. Der Preisträger kann jemanden benennen, der ein Stipendium in Höhe von 30 000 Euro erhält.