Eine neue Studie belegt, dass die Eisbären nicht zwangsläufig aussterben, wenn Maßnahmen zum Klimaschutz rechtzeitig ergriffen werden

Anchorage. Die Eisbären könnten den Klimawandel entgegen bisherigen Befürchtungen doch überleben. Das berichten Steven Amstrup vom US Geological Survey in Anchorage in Alaska und seine Kollegen in der Fachzeitschrift "Nature". Die charismatischen Tiere hätten dann eine Chance, wenn entschiedene Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen würden, zeigen neue Modellrechnungen der Forscher. 2007 hatte Amstrup noch gewarnt, dass steigende Temperaturen das Eis des Nordpolarmeers bis 2050 so dezimieren würden, dass nur noch ein Drittel der heute 22 000 Eisbären überleben und sie danach völlig verschwinden könnten. Nun gibt es Hoffnung für die weißen Riesen.

2007 hatten die US-Forscher nur ausgerechnet, wie sich das Eis im hohen Norden entwickelt, wenn der Klimawandel ungebremst weitergeht, weil niemand einschneidende Schritte gegen das Ausstoßen von Treibhausgasen unternimmt. Das Schicksal der Eisbären ist untrennbar mit dem Eis verbunden. Die Zukunft der Tiere liege damit in der Hand der Entscheidungsträger, erklärt der Eisbär-Spezialist Andrew Derocher von der University of Alberta. "Allerdings gibt es bisher kaum Hinweise, dass eine entsprechende Politik rechtzeitig in die Tat umgesetzt wird", befürchtet er.

Die Computermodelle zeigten den Forschern, dass ohne Maßnahmen gegen den Klimawandel steigende Temperaturen innerhalb von weniger als zehn Jahren große Flächen des Eises auf dem Nordpolarmeer verschwinden lassen könnten. Weniger Eis reflektiert aber auch weniger Sonnenlicht, so dass dann mehr Wärme auf der Erdoberfläche bleibt. Das Schrumpfen der Eisfläche würde also die Erwärmung weiter verstärken, noch mehr Eis würde schmelzen, in den folgenden Jahrzehnten würde das gesamte Eis auf dem Meer im hohen Norden verschwinden.

Ohne Eis aber haben die Eisbären keine Chance, denn sie haben sich auf die Jagd auf den Schollen spezialisiert. Schon heute hungern sie während der Sommermonate an der kanadischen Küste, verlieren dadurch jeden Tag ein Kilogramm Gewicht und warten darauf, dass im Herbst endlich die ersten Eisschollen und damit ihre Lebensräume wieder auftauchen.

Die Forscher hatten 2007 nicht untersucht, ob der Kippschalter wirklich umgelegt wird, der zum völligen Verschwinden des Eises im Nordpolarmeer führt, wenn entschlossen Maßnahmen gegen den Klimawandel ergriffen werden. Das holten sie jetzt nach und fanden zwar eine lineare Beziehung zwischen der Fläche des Meereises und der Temperatur, jedoch keinen Punkt, bei dessen Überschreitung das Aussterben der Tiere besiegelt sei. Dagegen zeigten die Modelle deutlich: Je schneller und stärker der Ausstoß der Treibhausgase reduziert wird, umso mehr Eis und Eisbären dürfte es in Zukunft im Nordpolarmeer geben.

Die Zahl der imposanten Tiere würde zusätzlich gesichert werden können, wenn die immer noch erlaubte Jagd auf Eisbären in Grönland und Kanada massiv eingeschränkt würde, betont Amstrup. "Ein Verbot der Jagd aber würde für die Ureinwohner der Arktis einen erheblichen kulturellen Verlust bedeuten", gibt Derocher zu bedenken. Ob die Inuit damit einverstanden wären, bleibt abzuwarten. Zusammenfassend zeigen sich die Forscher erstmals wieder positiv gestimmt in Sachen Eisbär. "Es gibt Grund für Zuversicht. Sie erfordert aber Optimismus bezüglich unserer Fähigkeit, unser Verhalten zu ändern", sagt Derocher.

Währenddessen hat ein Forscherteam um Brendan Kelly vom National Marine Mammal Laboratory in Juneau (Alaska) noch einen anderen Aspekt in dem ganzen Szenario beleuchtet: Mit dem Schmelzen des Eises rings um den Nordpol würden sich künftig viele Tierarten begegnen, die bislang durch die Eismassen getrennt seien, berichten die Wissenschaftler. Hierbei könnte es zu erfolglosen Paarungen kommen. Ergebnis solcher Fehlpaarungen über Artgrenzen hinweg sind Hybride, die meist nicht fruchtbar sind. Die Eltern ziehen sie zwar groß, tragen damit aber nicht zum Erhalt der Art bei. Kelly und seine Kollegen weisen unter anderem auf "Grolar"-Bären hin, Kreuzungen aus Grizzly- und Polarbären. Aber auch bei vielen anderen Säugetieren der Polarregion seien Hybridformen beobachtet worden.

Der genaue Umfang des Problems ist bisher nicht bekannt: "Forscher haben wenig Ahnung davon, wie viele Hybridisierungen es tatsächlich gibt, einmal ganz davon abgesehen, wie sie die Populationen beeinflussen", sagt Kelly. Er empfiehlt, schnell Regeln für den Umgang mit Hybriden aufzustellen. Die Wissenschaft müsse klären, an welchen Orten Hybride mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit entstehen werden.

Helfen könnten dabei die indigenen Völker, weil sie die Tiere der Arktis jagen und wertvolle Beobachtungen liefern könnten.