Der Unesco Science Report zeigt ein neues Ranking bei den Wissenschaftsnationen

Hamburg. Wirtschaftlich liegt China schon vorn: Seit Anfang dieses Jahres darf sich das Land "Exportweltmeister" nennen, im August stieg es zur weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft auf - stärker sind nur noch die USA. Nun arbeitet sich China offenbar auch wissenschaftlich zur Spitze vor: Nur die USA veröffentlichen noch mehr wissenschaftliche Artikel, wie aus dem neuen Unesco Science Report hervorgeht. Der Bericht, der alle fünf Jahre erscheint, ist ein aktueller Überblick der weltweiten Forschung.

Er beginnt mit einem bemerkenswerten Befund: Die weltweiten Ausgaben für Forschung und Entwicklung (FuE) sind von 2002 bis 2007 um 45 Prozent gestiegen, auf 1,146 Billionen US-Dollar, wobei dieser Anstieg eine "veränderte globale Machtstruktur" markiert, wie die Unesco-Autoren schreiben. So hat sich der ohnehin große Anteil Asiens an den Forschungsausgaben, der hauptsächlich durch China, Indien und Südkorea zustande kommt, von 2002 bis 2007 weiter erhöht: von 27 auf 32 Prozent - zulasten der USA, der EU und Japans, der sogenannten "Triade", deren Anteil gesunken ist.

Im Vergleich der einzelnen Länder wirken die neuen Kräfteverhältnisse vorerst weniger gravierend: So konnte China seinen Anteil an den weltweiten FuE-Ausgaben von fünf Prozent (2002) auf neun Prozent (2007) erhöhen. Das ist jedoch wenig gegenüber den USA, die mit 33 Prozent den mit Abstand höchsten Anteil aller Länder stellen.

Ein wichtiger Anhaltspunkt ist auch die Frage, wie viel Prozent des Bruttoinlandsprodukts ein Land in Forschung und Entwicklung investiert. China lag hier 2007 mit 1,4 Prozent noch unter dem weltweiten Durchschnitt von 1,7 Prozent; bis 2010 wollte das Land den Anteil allerdings auf zwei Prozent erhöht haben, bis 2020 sollen es 2,5 Prozent werden. Zum Vergleich: Die USA lagen 2007 bei 2,7 Prozent, auch Deutschland bewegte sich mit 2,5 Prozent weit über dem Durchschnitt.

Dennoch hat seit 2002 kein anderes Land seine Ausgaben für Forschung und Entwicklung verhältnismäßig so stark erhöht wie China: 39 Milliarden investierte das Land 2002, 102 Milliarden US-Dollar waren es bereits 2007. Draufgesattelt haben zwar auch die USA, die 2007 mit 373 Milliarden US-Dollar fast viermal so viel investierten wie China. Dennoch kommen die Autoren des Unesco-Berichts zu dem Schluss, dass die traditionelle Führungsrolle der USA zuletzt "ernsthaft ins Wanken geraten" sei. Die größten Länder der EU hatten ihre FuE-Ausgaben zuletzt ebenfalls erhöht, Deutschland beispielsweise stockte seine Forschungsausgaben von 56,7 Milliarden im Jahr 2002 auf 72,2 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 auf.

Aber reicht das aus? Wird Chinas wissenschaftlicher Aufstieg zulasten der etablierten Forschungsnationen gehen? "Der Zuwachs der chinesischen Forschungsgelder relativiert sich zumindest insofern, wenn man weiß, dass derzeit ein großer Teil der Investitionen von ausländischen Großunternehmen stammt", sagt Dr. Margot Schüller, stellvertretende Direktorin des Giga-Instituts für Asienstudien in Hamburg. "Die Unternehmen nutzen die Forschung in China, um ihre Produkte für den chinesischen Markt anzupassen." Nichtsdestotrotz werde China auch unabhängig von ausländischen Investoren als Forschungsnation immer stärker werden, sagt Schüller. "Ob das zu unseren Lasten geht, wird davon abhängen, wie schnell die Chinesen Forschungsergebnisse zur Anwendung bringen können, wie schnell sie daraus marktreife Produkte machen. Darin sind sie allerdings heute schon sehr gut - und sie werden noch besser werden."

"Humankapital" hat das Land jedenfalls reichlich: In Kürze, schreiben die Unesco-Autoren, werde die Zahl der chinesischen Forscher (1,423 Millionen waren es bereits 2007) sowohl die der USA (1,425 Millionen) als auch die der EU (1,448 Millionen) übertreffen. Zwar hat auch die "Triade" aus USA, EU und Japan die Zahl ihrer Forscher seit 2002 erhöht, aber eben längst nicht in gleichem Maße wie China.

Noch führen die USA die Rangliste der weltweiten Forschungsleistungen an, ihr Anteil ist aber von 31 Prozent im Jahr 2002 auf rund 28 Prozent im Jahr 2008 gesunken. Auch die EU, unter den Regionen der Welt führend in der Forschungsleistung, hat im gleichen Zeitraum einen Rückgang erlebt, von rund 40 auf 37 Prozent. Im Gegensatz dazu konnte China seinen Anteil an der weltweiten Forschungsleistung mehr als verdoppeln: von fünf auf elf Prozent.

Masse ist allerdings nicht automatisch klasse: Chinesische Artikel, so die Unesco-Autoren, würden längst nicht so oft zitiert wie wissenschaftliche Publikationen aus den USA, der EU und Japan. "Mittelfristig wird sich das aber ändern", so Schüller. "Denn die chinesische Regierung betreibt eine starke Förderung: Forscher, die es schaffen, in renommierten Fachzeitschriften zu veröffentlichen, werden mit Extrageld belohnt und öffentlich belobigt. Das erhöht den Anreiz, exzellente Ergebnisse zu produzieren."