Fachtagung in Hamburg berät über legale Meeresverschmutzungen durch die Schifffahrt und mögliche Unfallvorsorge

Hamburg. "Öl im Meer" - wer dies hört, denkt sofort an die havarierte Ölplattform im Golf von Mexiko. Doch bei der gleichnamigen Tagung, zu der sich gestern und heute 250 Experten in Hamburg treffen, stand die Schifffahrt im Vordergrund. Es ging nicht nur um spektakuläre Tankerunglücke, sondern auch um die tägliche, unauffällige Ölpest, die den Weltmeeren zusetzt.

"Ölunfälle haben weltweit enorm abgenommen, sowohl ihre Anzahl als auch die Menge des ausgetretenen Öls", betonte Monika Breuch-Moritz, Präsidentin des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie (BSH), das zusammen mit dem Havariekommando und dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht (ehemals GKSS) zur Fachkonferenz eingeladen hatte. "Die große Mehrheit der Ölverschmutzungen stammt vom Schweröl", betonte die BSH-Chefin; sie machten 84 Prozent der Öleinleitungen durch die Schifffahrt aus. Die entdeckten Ölverschmutzungen markierten die Schifffahrtswege, die wesentliche Ursache dafür sei der Treibstoff Schweröl.

Etwa 600 000 Tonnen Öl gelangen jährlich durch den normalen Schiffsbetrieb ins Meer, fast so viel wie die Menge Rohöl, die im Sommer beim Untergang der "Deepwater Horizon" in den Golf von Mexiko sprudelte. Die Einleitungen der Schifffahrt wiederholen sich alljährlich und sind größtenteils legal. Denn noch immer dürfen Tankschiffe bei einem Mindestabstand von 50 Seemeilen (knapp 93 Kilometer) zur Küste ihre Ladetanks "waschen", und auch Ölrückstände aus dem Maschinenraum dürfen ins Meer gepumpt werden, wenn dabei bestimmte Regeln eingehalten werden. Allerdings gibt es weltweit Sondergebiete, in denen die Einleitungen weitgehend verboten sind. Dazu gehören die Nord- und Ostsee.

Dennoch werden auch vor den deutschen Küsten immer wieder Ölverschmutzungen entdeckt, meist anhand von Satellitenbildern. "Wir schauen dann mit dem Überwachungsflugzeug, ob es sich tatsächlich um Öl oder um eine andere Schadstofffahne handelt. Oder besser noch: Wir schicken ein Schiff, das gleich Proben von der Verschmutzung nehmen kann", sagte Kai Petersen vom Havariekommando mit Sitz in Cuxhaven. Die Proben würden auf die Gefährlichkeit des Öls und eine mögliche Explosionsgefahr hin untersucht, so Petersen. Und sie dienen dazu, später den Verursacher der Verschmutzung dingfest zu machen.

Dafür betreibt das BSH-Labor in Osdorf eine computergestützte Datenbank mit den chemischen "Fingerabdrücken" von 1500 Ölproben. Ist das Öl identifiziert, so soll es die behördlichen Meeresschützer zu den Tätern führen. Ein zweites Hilfsmittel ist das Driftmodell des BSH: Per Computer lässt sich der Weg des Öls von seinem Fundort zurückrechnen und so die Region ermitteln, in der das Öl ins Meer gelangte.

Bestenfalls werden bei verdächtigen Schiffen Proben aus den Treibstofftanks genommen und der Täter überführt. Aber oft fischen die Fahnder im Trüben. In den zurückliegenden Jahren seien jeweils zwischen 150 und 200 Ermittlungsverfahren wegen Gewässerverschmutzungen in Nord- und Ostsee eingeleitet worden, berichtete Dr. Ewald Brandt von der Staatsanwaltschaft Hamburg. Die Aufklärungsquote liege unter 20 Prozent.

"Ähnlich ernüchternd" sei die Verurteilungsquote - die Strafverfolgung scheitere an verschiedenen Hürden, auch weil dabei immer auch ausländische Stellen mit einzubeziehen sind, so Brandt. Es komme praktisch nicht vor, dass ein unter deutscher Flagge fahrendes Schiff vor der deutschen Küste das Meer verschmutzt, einen deutschen Hafen anläuft und die Beschuldigten und der Schiffseigner Deutsche sind.

Neben den Verschmutzungen durch den Schiffsbetrieb sollten andere chronische Einleitungen, etwa aus Flüssen und von Bohrplattformen, endlich konsequent bekämpft werden, warnt Greenpeace-Ölexperte Dr. Christian Bussau am Rande der Tagung. "Wir schätzen, dass jährlich um die 10 000 Tonnen Öl durch die Schifffahrt und weitere 10 000 Tonnen von den Ölplattformen in die Nordsee gelangen." Auch die Gefahr einer großen Ölpest infolge eines spektakulären Unfalls ist noch nicht gebannt. Zwar sind größere Tankerhavarien stark zurückgegangen (55,5 Prozent aller Unglücke zwischen 1970 und heute ereigneten sich in den 70er-Jahren, 3,6 Prozent in diesem Jahrtausend), aber gleichzeitig stieg die Schiffsgröße und damit das potenzielle Risiko eines einzelnen Unglücks.

Kai Petersen vom Havariekommando sieht Deutschland gut gewappnet: Innerhalb von 45 Minuten könne der Krisenstab zusammentreten, die Spezialschiffe zur Ölbekämpfung innerhalb von zwei Stunden auslaufen. "Man bemüht sich sehr", kommentiert Greenpeacer Bussau den Vortrag von Petersen. "Aber wie gut die Vorkehrungen wirklich sind, wird sich erst bei der nächsten größeren Havarie zeigen."