Exzellenzserie - Teil 12: Der Physiker Christian Kränkel erforscht neue Werkstoffe für Hochleistungslaser

Hamburg. Der Bau des vielseitigsten Werkzeugs der Welt beginnt in einem Raum, den Christian Kränkel das "Zuchtlabor" nennt. An der Wand hängt ein Werkzeugbrett, auf der Ablage davor stehen Gefäße, die aussehen wie versilberte Espressotassen. In diese Schmelztiegel füllt Kränkel ein Pulvergemisch aus mineralischen und metallischen Stoffen, das er bei 2500 Grad in einem Induktionsofen verschmilzt.

"Schauen Sie mal rein", sagt er und deutet auf ein Guckloch an der Spitze der Ofenkammer. Aus der Glut im Innern ragt ein Metalldraht empor, an dem ein Kristall wächst. Er wird später in der Sonne hellblau leuchten, fast so hart sein wie ein Saphir und lupenrein; man könnte aus ihm schönen Schmuck machen. Doch seine faszinierendste Eigenschaft wird Kränkels künstlicher Stein als millimeterdünne Scheibe entfalten. Denn derart in einer Röhre platziert, kann er Millionen von Lichtpulsen pro Sekunde extrem verstärken - zu einem Laserstrahl.

Solche sogenannten Ytterbium-Scheibenlaser, derzeit die leistungsfähigsten Geräte ihrer Art, noch stärker und zugleich energieeffizienter zu machen, ist Kränkels Aufgabe am Institut für Laserphysik der Universität Hamburg. Dort leitet der 32 Jahre alte promovierte Physiker eine Nachwuchsforschergruppe im Projekt "Frontiers in Quantum Photon Science" der Landesexzellenzinitiative. Neben der Universität Hamburg sind auch Wissenschaftler des Deutschen Elektronen Synchrotrons (Desy) und der Max-Planck-Gesellschaft an den Studien beteiligt. Die meisten untersuchen sogenannte kohärente Lichtquellen.

Zum Verständnis muss man sich klarmachen, dass Licht aus Photonen besteht, Teilchen, die sich in unterschiedlich langen Wellen ausbreiten. Die Farbe des Lichts hängt von der Wellenlänge ab. Während natürliches Licht sich in ungeordneten Wellen in verschiedene Richtungen bewegt, können einige künstliche Lichtquellen die Wellen präzise und gleichmäßig in eine Richtung lenken. Diese Strahlung nennen Physiker kohärentes Licht.

Den ersten Laser stellte 1960 der US-Physiker Theodore Maiman vor

Der Laser ist dafür das bekannteste Beispiel. Er bündelt Licht durch die stimulierte Emission von Strahlung, eine Methode, die auf einer Theorie von Albert Einstein aus dem Jahre 1916 basiert. Den ersten Laser stellte 1960 der US-amerikanische Physiker Theodore Maiman vor. Damals wurde seine Apparatur als Erfindung ohne Anwendung verspottet. "Heute sind Laser aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken", sagt Christian Kränkel. "Laserstrahlen bedrucken Papier, lesen DVDs, schweißen Autobleche, operieren Augen; sie transportieren E-Mails durch Überseekabel - das Internet wäre ohne Laser nicht möglich."

So unterschiedlich die Anwendungen sind, das Wirkprinzip ist immer gleich: Ein Laser besteht im Wesentlichen aus zwei gegenüberliegenden Spiegeln, von denen einer leicht durchlässig ist. Zwischen den Spiegeln, im sogenannten Resonator, wird ein Material platziert - bei Scheibenlasern ein künstlicher Kristall -, dessen Ionen (elektrisch geladene Atome) möglichst viel Energie aufnehmen können. Von außen wird Licht in den Kristall gepumpt, entweder konstant oder "gepulst" in ultrakurzen Abständen.

Je nach Material absorbieren die Ionen nur eine bestimmte Wellenlänge

Jene Lichtteilchen, die im Kristall auf Ionen treffen, werden aufgesaugt, "absorbiert", wie es in der Fachsprache heißt. Ihre zusätzlich gewonnene Energie strahlen die Ionen jedoch blitzschnell wieder ab. Ein Teil der Strahlung wird nun einige Hundert Mal zwischen den Spiegeln hin und her reflektiert, wobei die Strahlung bei jedem erneuten Kontakt mit den Ionen an Kraft gewinnt und dadurch zu einem gebündelten Lichtstrahl wird, der schließlich stark genug ist, den Resonator durch den halb durchlässigen Spiegel zu verlassen - als Laserstrahl.

Je nach Material absorbieren die Ionen aber nur eine bestimmte Wellenlänge. Und der Laser, der dadurch entsteht, wirkt je nach Wellenlänge unterschiedlich: Mit grünem Laserlicht etwa kann man sehr gut Kupfer bearbeiten, weil das Metall grünes Licht absorbiert, andere Wellenlängen hingegen stark reflektiert; infrarote Laser wiederum eignen sich zum Beispiel gut dazu, Treibhausgase in der Atmosphäre zu messen. Zwar gibt es Laser mittlerweile für fast jede Wellenlänge, doch Forschung und Industrie fordern noch schnellere und genauer dosierbare Geräte, etwa um winzige Schweißnähte zu ziehen oder Kanten von Solarzellen noch glatter zu schneiden.

Der Laserkristall muss hohe Temperaturen aushalten können

Die Leistung steigern könnten neuartige Laserkristalle, wie sie Christian Kränkel erforscht. Der Laserkristall muss hohe Temperaturen aushalten können, gleichwohl dient er nur als Wirt, als Träger der anzuregenden Ionen. Als Ionen eigenen sich besonders gut Metalle der sogenannten Seltenen Erden, etwa Ytterbium und Neodym. Für Christian Kränkel geht es nun darum, im Labor die optimale Kombination aus Wirtskristall und laseraktiven Ionen zu züchten. Der Kristall muss hitzestabil sein, die Ionen reaktionsschnell. Der Laser soll im gleichen Zeitraum immer kürzer pulsen und gleichzeitig mehr Energie in jedem Puls konzentrieren. Für seine Experimente habe er zwar viele Anhaltspunkte, "im Grunde hilft aber nur ausprobieren", sagt Kränkel und lacht.

Etwa eine Woche dauert es, bis ein neuer Kristall hergestellt ist. Anschließend geht der Wissenschaftler Kränkel in ein weiteres Labor, in dem eine Minikreissäge das gute Stück in Scheiben schneidet, die im Durchmesser jeweils fünf bis zehn Millimeter messen. Danach folgt der Gang ins Messlabor, wo Kränkel Licht auf die Kristallscheiben strahlt und ermittelt, welche Wellenlängen sie absorbieren. Um die Leistung zu messen, die sie erzeugen können, platziert der Physiker die Scheiben in einem Testresonator. Für uns dunkelt er den Raum ab, stellt das Pumplicht an und flutet dann die Anlage mit Rauch, um die Strahlung sichtbar zu machen. Jetzt kann die Lichtshow beginnen: Grüne, rote und blaue Laserstrahlen bilden flirrende Linien in der Luft, wir fühlen uns sofort an Science-Fiction-Filme erinnert.

Ein direkter Blick in starkes, grünes Laserlicht lässt Augen sofort erblinden

Die Schutzbrille, die wir tragen, erinnert auch an das Risiko, das mit dem Lasern verbunden sein kann. Ein direkter Blick in starkes grünes Laserlicht etwa lässt Augen sofort erblinden. Industrielaser können heute mühelos durch zentimeterdicke Stahlplatten schneiden. "Macht Ihnen diese Kraft auch manchmal Angst, Herr Kränkel?" "Nein, aber sie flößt mir Respekt ein." Er sehe aber vor allem die Chancen, sagt der junge Physiker: "Laser werden uns bei vielen Anwendungen helfen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können."