Beim Uno-Gipfel zur biologischen Vielfalt einigen sich Teilnehmer auf Strategien, Ressourcen langfristig zu bewahren

Nagoya. Fast zwei Wochen lang haben Vertreter von 193 Staaten in Nagoya (Japan) über den Schutz und die schonende Nutzung der biologischen Vielfalt (Biodiversität) diskutiert; am Vorabend des letzten Konferenztages stand gestern fest: Die Verhandlungen haben den politischen Prozess vorangebracht. "Die Themen sind sehr komplex. Deshalb kann es sein, dass wir am Freitag keine Beschlüsse haben werden. Aber zumindest ist der Weg dorthin geebnet", sagt Günther Mitlacher, der für die Umweltstiftung WWF am Uno-Gipfel teilnimmt.

Auf den Vorläuferkonferenzen hatte die Weltgemeinschaft zunächst das Ziel verfolgt, die Verlustrate unter den Tier- und Pflanzenarten bis zum Jahr 2010 deutlich abzubremsen. Dies wurde deutlich verfehlt - die Rate ist weiter gestiegen, die Weltnaturschutzunion IUCN beziffert sie auf das Tausendfache der natürlichen Aussterberate. In Nagoya entwarfen die Delegierten nun einen strategischen Plan, um zumindest in diesem Jahrzehnt Erfolge zu erzielen.

Dazu müssen konkrete Handlungsschritte vereinbart werden, betont Hubert Weiger, Vorsitzender des BUND, einer der wenigen Beobachter der Umweltverbände, der Zutritt in die inneren Verhandlungszirkel hat. Weiger: "Im strategischen Plan steht jetzt das Ziel, die Überfischung bis zum Jahr 2020 zu beenden. Das ist ein gewaltiger Schritt."

Auch sei das Ziel festgeschrieben worden, umweltschädliche Subventionen, etwa von Plantagenkulturen für Biokraftstoffe, abzuschaffen. "Weltweit machen sie 500 Milliarden US-Dollar, also gut 360 Milliarden Euro, aus. Ein Zehntel davon soll Projekten zum Schutz der Biodiversität zugutekommen, etwa im Bereich der nachhaltigen Landnutzung.

Sie umfasst die schonende Holzernte in Wäldern, extensive Weidewirtschaft und die naturangepasste Landwirtschaft. Eine Speerspitze ist die sogenannte Permakultur. Sie hat ihren Ursprung in Australien; der Begriff steht für "permanent agriculture" (dauerhafte Landwirtschaft).

Die Permakultur denkt mehr noch als die übliche Bio-Landwirtschaft in geschlossenen Kreisläufen (Energie und Nährstoffe). Sie will nicht nur den Anbau von Lebensmitteln, sondern auch das menschliche Miteinander und die Siedlungsstrukturen in Einklang mit der Natur bringen. Wie das in der Praxis funktioniert, lernten einige Gipfelteilnehmer beim Besuch eines Permakultur-Projekts in Hokuto, 150 Kilometer westlich von Tokio, kennen.

Würde der strategische Plan beschlossen, so wäre dies ein enormer Fortschritt, urteilt Weiger. Aber die Entwicklungsländer, allen voran die afrikanischen Staaten, wollen konkrete Schutzziele nur mittragen, wenn sie seitens der Industrieländer finanzielle Zusagen dafür erhalten, dass sie ihren Naturschatz bewahren. "Eine solche Gegenleistung steht bereits im Konventionstext von 1992", sagt Weiger.

Anlässlich der Vorgängerkonferenz im Mai 2008 in Bonn sagte Gastgeber Deutschland damals bereits 500 Millionen Euro für die Jahre 2009 bis 2012 zu, um schwerpunktmäßig den Waldschutz zu fördern. Anschließend sollen jährlich 500 Millionen fließen. Andere Länder zogen nach, Norwegen überflügelte sogar den Gastgeber. "Das zugesagte Geld ist im Haushalt eingestellt und stammt aus dem Emissionshandel mit CO 2 -Zertifikaten", sagt Weiger, "aber es wird argumentativ gleich mehrfach verteilt. Denn es zählt auch als Beitrag zur Entwicklungszusammenarbeit und zum internationalen Klimaschutz."

Immerhin fließen die Euros, und auf dem Gipfel in Nagoya hat sich Gastgeber Japan jetzt ebenfalls spendabel gezeigt: Das Land will bis 2013 umgerechnet 1,4 Milliarden Euro für den Naturerhalt bereitstellen.

Bleibt ein zweites großes Hindernis für einen erfolgreichen Konferenz-Abschluss: das sogenannte ABS-Protokoll. Die Buchstaben stehen für Access and Benefit-Sharing, für den Zugang zu genetischen Ressourcen, etwa zugunsten der Pharmaindustrie, und der gerechten Verteilung der Gewinne, die mit diesen Ressourcen verdient werden. "Hier muss sich die EU am meisten bewegen", urteilte gestern WWF-Experte Mitlacher. "Sie wünscht sich für ihre Industrie einen möglichst guten Zugang zu den Ressourcen. Dazu gehören neben nützlichen Wirkstoffen auch Krankheitserreger, die möglicherweise Pandemien auslösen können. Die Pharmakonzerne wollen Impfstoffe entwickeln. Nach den Diskussionsrunden sieht es nun so aus, dass ein Teil des Geldes, das die Unternehmen mit den Impfstoffen verdienen, in die Ursprungsländer zurückfließen muss."

Es werde noch die ganze Nacht über ein ABS-Protokoll verhandelt, sagte Mitlacher gestern Abend (japanische Zeit). Sollte die komplizierte Materie nicht über Nacht in ein Vertragswerk münden, so trete Plan B in Kraft, erklärte er: "Dann wird im kommenden Jahr der Zwei-Jahres-Gipfelrhythmus unterbrochen und eine außerordentliche Folgekonferenz einberaumt. Bis dahin können die Mandatsträger in ihren Ländern die Verhandlungspositionen nachjustieren, um dann zu einem Abschluss zu kommen." Einen Tag vor dem offiziellen Konferenzende steht bereits fest: Der Biodiversitäts-Gipfel in Nagoya wird sicherlich nicht so ergebnislos wie vor knapp einem Jahr der Uno-Klimagipfel in Kopenhagen.