Der Abwärtstrend verläuft schneller als in globalen Klimamodellen errechnet

Bremerhaven/Hamburg. Die sommerliche Meereisbedeckung des Arktischen Ozeans wird in diesem Jahr einen der niedrigsten Werte der vergangenen 20 Jahre erreichen. Das zeigen Auswertungen von Satellitenaufnahmen, die Prof. Lars Kaleschke am KlimaCampus der Universität Hamburg vorgenommen hat. "Die Ergebnisse sind deshalb bedenklich, weil sich die Negativentwicklung beschleunigt hat. Von einer ,Erholung' der Eisbedeckung kann keine Rede sein", sagt Kaleschke.

Diese Entwicklung ist nach der Einschätzung des Ozeanographen Prof. Rüdiger Gerdes vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven nicht allein durch natürliche Ursachen, sondern vor allem durch den von Menschen verursachten Klimawandel zu erklären.

Zum Ende des arktischen Sommers wird sich die Meereisfläche rund um den Nordpol im Septembermittelwert auf etwa 4,9 Millionen Quadratkilometer reduzieren, errechnete Kaleschke. Im Mittelwert der vergangenen 40 Jahre hatte das Eis im September eine Fläche von 6,7 Millionen Quadratkilometern bedeckt; 1980 lag die Ausdehnung noch bei 7,8 Millionen Quadratkilometern. Der für diesen September zu erwartende Mittelwert gehört zu den vier niedrigsten Werten seit Beginn der Satellitenauswertung Anfang der 70er-Jahre. Die geringste Meereisausdehnung registrierten die Forscher 2007 mit 4,2 Millionen Quadratkilometern.

In den vergangenen beiden Jahren hatte die Meereisfläche gegenüber 2007 wieder zugenommen. Deshalb war nicht ausgeschlossen, dass in diesem Jahr der Negativtrend der vergangenen Jahre gebrochen werden könnte. Diese Erwartung bestätigte sich nicht.

Dass die Eisverhältnisse in der Arktis mittlerweile die errechneten Werte in den globalen Klimamodellen des IPCC-Berichts unterschreiten, kann laut Prof. Gerdes unterschiedliche Ursachen haben. "Heute spielen langfristige natürliche Klimavariabilität und der Einfluss des Menschen vergleichbare Rollen in der Arktis", so Gerdes. Der anthropogene Temperaturanstieg kommt zusammen mit einer warmen Phase der Atlantischen Multidekadischen Oszillation (AMO); beides zusammen führt zum extremen Eisrückgang der vergangenen Jahre. Für die künftige Entwicklung des Meereises ist entscheidend, wie schnell die AMO in ihre kalte Phase zurückkehrt.