Mit dem Chlorophyll-Gehalt schwindet auch die Nahrungsgrundlage vieler Wasserbewohner. Eine Ursache sei die Erwärmung der Meere.

Halifax. Langsam aber unerbittlich verblasst das Grün der Meere. So sagt es Boris Worm von der Dalhousie Universität im kanadischen Halifax zwar nicht, der Biologe drückt sich wissenschaftlicher aus: "Es hat mich sehr erstaunt, dass Chlorophyll in den Ozeanen so eindeutig zurückgeht." Drei Jahre lang haben der Forscher und seine Mitarbeiter Daniel Boyce und Marlon Lewis Daten aus mehr als zwei Jahrhunderten gesammelt. Im Durchschnitt aller Ozeane nimmt demnach seit 1950 der Chlorophyll-Gehalt im Wasser jedes Jahr um rund ein Prozent ab, schreibt das Team in der Fachzeitschrift "Nature". Eine Ursache sei die Erwärmung der Meere.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts sind demnach 40 Prozent des Chlorophylls aus den Weltmeeren verschwunden. Chlorophyll ist der Farbstoff, mit dem Pflanzen, Algen und einige Bakterien Sonnenlicht einfangen und mit dessen Energie sie aus Wasser und Kohlendioxid Zucker herstellen (Fotosynthese). Als Abfall entsteht Sauerstoff, den alle Tiere benötigen. Der Zucker aus der Fotosynthese wiederum ist der Stoff, der fast alles Leben antreibt. In den Meeren steckt das Chlorophyll vor allem in einem Gewimmel winziger Organismen wie Kiesel-, Grün- und Goldalgen, Dinoflagellaten und Cyanobakterien. Sie bilden das Phytoplankton. "Dieses Phytoplankton produziert ungefähr die Hälfte des Sauerstoffs, den wir Menschen atmen", sagt Worm.

40 Prozent weniger Chlorophyll in den Weltmeeren bedeuten daher, dass das Phytoplankton erheblich abgenommen haben muss. Dadurch lahmt nicht nur der Nachschub an Sauerstoff, es verändern sich auch die Grundlagen des Lebens im Meer dramatisch. "Das Phytoplankton ist der Sprit, der das Ökosystem im Ozean antreibt", erklärt Daniel Boyce. Winzige Tierchen im Wasser bis hin zu den Giganten der Meere wie den Walen ernähren sich direkt oder indirekt von dem Plankton und hängen damit von der Fotosynthese ab.

"Heute messen Satelliten einfach die Farbe des Ozeanwassers und leiten daraus den Chlorophyll-Gehalt in den Weltmeeren ab", so Worm. Wirklich gute Satellitendaten zum Grün der Ozeane gibt es aber erst seit 1997. Diese 13 Jahre reichen nicht aus, um daraus einen Trend abzuleiten. Immerhin messen Wissenschaftler seit 1899 von Schiffen aus den Chlorophyll-Gehalt des Meerwassers oder zumindest die Trübung der Ozeane, aus der sich Chlorophyll-Konzentrationen sehr zuverlässig abschätzen lassen.

Eine halbe Million solcher Messungen aus fast allen Regionen der Weltmeere hat das Team um Boris Worm zusammengetragen. Am Ende hatte es für die Ozeanbecken wie den Nordatlantik und den Nordpazifik, in denen häufig gemessen wurde, ein dichtes Netz von Chlorophyll-Daten. In weniger häufig besuchten Weltgegenden wie dem südlichen Indischen Ozean zwischen Madagaskar und der Westküste Australiens waren die Daten zwar deutlich spärlicher, konnten aber dennoch ausgewertet werden.

Der südliche Indische Ozean war die einzige Region, in der seit 1899 der Chlorophyll-Gehalt jedes Jahr um knapp zwei Prozent steigt. Im nördlichen Indischen Ozean blieb er weitgehend konstant; in allen acht anderen großen Meeresbecken zwischen Antarktis und Nordpolarmeer sank der Gehalt dagegen jedes Jahr. Das Minus liegt im Schnitt zwischen einem halben und zwei Prozent. Über alle Meere gemittelt kommen die Forscher so auf eine Abnahme um knapp ein Prozent im Jahr seit 1950. Betrachten sie den Zeitraum seit 1899, fällt der Rückgang ein wenig geringer aus.

Eine wichtige Ursache für den Schwund haben die Forscher bereits identifiziert: Seit 1899 sind die Temperaturen der obersten Wasserschicht der Meere um rund ein halbes Grad Celsius gestiegen. Das schwächt vor allem in wärmeren Erdregionen den Transport von Nährstoffen aus den kalten Tiefen nach oben. Die Nährstoffe braucht das Phytoplankton jedoch zum Wachsen. Es scheint also der Klimawandel zu sein, der die in den Weltmeeren steckende grüne Lunge schrumpfen lässt.

Ein weiterer Faktor könnte hinzukommen: die Tatsache, dass die Meere zunehmend leer geräumt werden. So gibt es heute viel weniger Wale als vor 100 Jahren; auch die Bestände vieler großer Fische (etwa Haie, Thunfisch, Kabeljau) sind erheblich reduziert. Diese großen Meeresbewohner haben einen erheblichen Einfluss auf das gesamte Ökosystem. "Weil die Nahrungsnetze im Meer sehr kompliziert sind, lässt sich der Einfluss bisher aber kaum abschätzen", sagt Boris Worm.