Ein neuer Computertomograf ermöglicht Berliner Forschern ab heute, Elefanten, Löwen und Fossilien zu untersuchen

Berlin. Verständigen sich Flusspferde unter Wasser in anderen Tonlagen als an Land? Welche Schäden hat eine Bleivergiftung im Gehirn eines Seeadlers angerichtet? Und welche Dinosaurierknochen stecken eigentlich in den Lehmbrocken, die seit einer Tansania-Expedition zwischen 1909 und 1913 in 37 Bambuskisten im Keller des Berliner Museums für Naturkunde stehen? Um solche Forschungsfragen beantworten zu können, hat die Bundesregierung dem Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) in Berlin aus dem Konjunkturpaket II einen Computertomografen der Spitzenklasse spendiert. Damit sind IZW-Forscher Thomas Hildebrandt und seine Kollegen europaweit führend.

Noch vor der heutigen offiziellen Eröffnung des "Forschungszentrums Computertomografie" stellte die Untersuchung des toten Elefanten-Mädchens Jamuna Toni das neue Gerät auf eine erste Bewährungsprobe. Der Gesundheitszustand des sechs Monate alten Dickhäuter-Babys hatte sich im Münchner Tierpark Hellabrunn so verschlechtert, dass es am 14. Juni 2010 eingeschläfert werden musste. Bereits wenige Stunden später schoben die IZW-Forscher in Berlin den 170 Kilogramm schweren Körper in die Röhre des Gerätes. "Das Gewicht ist kein Problem, der Gerätetisch ist bis 300 Kilogramm ausgelegt", erklärt Thomas Hildebrandt.

Röntgenstrahlen durchleuchten in der Röhre des kurz CT genannten Gerätes den toten Organismus. 128 Bilder von verschiedenen Körperschichten macht die Maschine, während Röntgenstrahlen und deren Empfänger einmal um den Körper wandern. In einer halben Minute entstehen so mehr als 4000 Röntgenschnittbilder vom Körper. Computer rechnen diese zweidimensionalen Bilder zu einer einzigen räumlichen Darstellung zusammen.

Der riesige Rechenaufwand lohnt sich, die Forscher sehen sogar Strukturen, die einen halben Millimeter groß sind. Bei Jumana Toni deckte das Gerät eine ganze Reihe von Knochenbrüchen im Körper auf, die vermutlich eine bisher unbekannte Stoffwechselerkrankung verursacht hatte. Mit dieser nachträglichen Diagnose erwies sich, dass das Elefantenbaby unheilbar krank gewesen und zu Recht von seinem Leiden erlöst worden war.

IZW-Forscher Thomas Hildebrandt will das Gerät jedoch vor allem für die Diagnose lebender Tiere nutzen. Die Premiere der Patienten macht am heutigen Eröffnungstag der Bär Barri, der sich nach zehn Jahren im Staatszirkus der DDR und seinen Nachfolgern, sowie elf Jahren in einem Wildpark inzwischen nur noch schwer bewegen kann, und dessen Beinahe-Erblindung auch mit einer Augenoperation nicht geheilt werden konnte. Mit der Computertomografie sollte man die Ursachen seines Leidens besser aufdecken können. Vielleicht ist dann eine bessere Behandlung des Tieres möglich.

Thomas Hildebrandt sieht auch Chancen, die CT vorbeugend einzusetzen: Indische Nashörner hatten in Zoos früher oft wunde Füße, weil sich die Nägel anders als in der Natur nur wenig abnutzten und daher weit vorstanden. Drehte sich das Tier ruckartig, rissen die Füße ein, was sehr schmerzhaft ist. Seit das Problem bekannt ist, können die Tierpfleger solche Verletzungen vermeiden, wenn sie die Fußnägel der Tiere nicht zu lang werden lassen.

Schwieriger ist dagegen die Diagnose von Giraffen, die ebenfalls in Gefangenschaft häufig Entzündungen an den Klauen haben - manchmal beginnen sich sogar die Fußknochen aufzulösen. Jetzt warten 80 eingefrorene Füße verendeter Giraffen in Berlin auf eine CT-Diagnose, die Verkalkungen oder auch den Phosphatgehalt der Knochen zeigen kann. Vergleichen die Forscher dann die Füße von Zootieren mit denen von Giraffen, die in der Savanne verendet sind, sollten sie herausbekommen, ob die Probleme erblich sind und so durch Inzucht verstärkt wurden. Möglicherweise finden sich aber auch Hinweise, wie man die Haltung der Zootiere verbessern kann: Vielleicht könnte man die Ernährung verbessern oder die Giraffen auf anderen Böden halten, die der Fußgesundheit entgegenkommen.

"Vielleicht können wir auch die Frage klären, wie Flusspferde unter Wasser kommunizieren", überlegt Thomas Hildebrandt weiter. Weil besonders tiefe Töne im Wasser viel weiter tragen als hohe Töne, verständigen sich Meeressäuger im Ultrabass. Damit diese Töne auch gut gehört werden, bilden sich im Innenohr ausgeprägte Kalkstrukturen. Weil die Forscher auch im Schädel toter Flusspferde diese filigranen Gehör-Strukturen nur schwer untersuchen können, ist die Computertomografie ideal, um nachzuschauen, ob solche Kalkstrukturen auch im Flusspferd-Innenohr auf gutes Hörvermögen im Infraschall-Bereich hinweisen.

Ganz andere Erkenntnisse erhofft sich dagegen Daniela Schwarz-Wings, die im Museum für Naturkunde in Berlin für fossile Reptilien und damit natürlich auch für Dinosaurier zuständig ist. In den Jahren 1909 bis 1913 führten ihre Vorgänger eine der bisher erfolgreichsten Paläontologie-Expeditionen der Forschungsgeschichte im damaligen Deutsch-Ostafrika, dem heutigen Tansania, durch.

Von dort brachten sie nicht nur ein mehr als 20 Meter langes und 13 Meter hohes Skelett eines Brachiosaurus mit, das heute weltweit das größte aufgebaute Skelett eines solchen Riesenreptils ist. Im Keller lagern noch 37 rund einen Meter lange und 30 Zentimeter dicke Bambustrommeln. Sauber in Savannengras eingepackt, hatten die Forscher damals kleinere Knochen aus der Tendaguru-Dino-Fundstelle in diese Trommeln gesteckt. Damit die wertvollen Fossilien besser erhalten bleiben, hatten sie die Knochen vorher in eine Lehmschicht eingelegt.

Bisher ist niemand dazu gekommen, diese Funde genauer zu untersuchen: Weil es einige Monate dauern kann, bis ein solcher Knochen aus den Lehmklumpen sauber präpariert ist, hat sich bisher niemand an diese Sisyphus-arbeit gewagt. "Mit der Computertomografie aber können wir die Lehmklumpen durchleuchten und vermutlich schon so bestimmen, von welcher Art die Knochen im Inneren stammen", erklärt Daniela Schwarz-Wings ein weiteres Anwendungsgebiet des neuen Gerätes. Die Computertomografie am IZW unterstützt somit auch die Paläontologie - auch wenn deren Exponate seit Jahrmillionen tot sind.