Gigant Microsoft tritt mit seinem mobilen Computer Surface gegen Apples iPad an. Aber mit welchen Chancen? Ein erster Einblick.

Hamburg. Warum tut sich Microsoft das an? Das fragte sich wohl so mancher Beobachter, als er von den Plänen des Konzerns erfuhr, künftig eigene Tablet-PCs zu produzieren. Warum will man es nach Hardware-Flops wie dem MP3-Player Zune nun ausgerechnet mit dem Erzkonkurrenten Apple und seinem iPad aufnehmen? Und was bringt eine weitere Tablet-Alternative den Anwendern?

Nach der Präsentation des ersten Tablet-Computers im Jahr 2000 und einem zweiten Anlauf zehn Jahre später ist es Microsofts dritter Versuch, im Tablet-Geschäft Fuß zu fassen. War Windows bislang fast ausschließlich auf Maus und Tastatur ausgelegt, gilt es nun, das Betriebssystem samt Office-Software und Internet-Explorer auf die Bedienung via Touchscreen umzustellen. Neben der direkten Eingabe mit den Fingern haben iPad & Co. den Nutzern das App-Prinzip nahegebracht: preisgünstige Minianwendungen für einzelne Zwecke statt eines mitunter schwerfälligen Programmpakets aus einer Hand. Auch hier betritt der Konzern Neuland.

Mit dem eigenen Tablet dürfte Microsoft Partner verärgern

Damit das alles nicht ganz so plötzlich kommt, veröffentlicht Microsoft seit geraumer Zeit fleißig Vorabversionen seines kommenden Betriebssystems Windows 8. Die laut Microsoft-Chef Steve Ballmer "Morgendämmerung der Wiedergeburt von Windows" wird wohl im Herbst zusammen mit dem ersten Surface-Tablet erscheinen. Mit Metro, so der Name der Benutzeroberfläche, wird das klassische Windows zu einer Anwendung unter vielen. Ausprobieren kann man Metro schon auf Windows Phone-Mobiltelefonen, die zwar technisch überzeugen, im Schatten des iPhones bislang aber kaum Käufer finden.

Microsoft erschafft die eierlegende Wollmilchsau

Seit Längerem experimentiert Microsoft mit neuen Bedienkonzepten. Mit Kinect hielt die Sprach- und Gestensteuerung Einzug in die Windows-Welt. Windows 8 soll aus den unterschiedlichen Ansätzen eine organische Einheit machen. Mit einer eigenen Hardware kann Microsoft nun beweisen, dass das Konzept aufgeht, ohne sich auf andere Hersteller verlassen zu müssen. Die Technik-Website Engadget, die bereits Gelegenheit hatte, Surface auszuprobieren, zeigte sich "begeistert". Die Experten von TechCrunch gewannen den Eindruck, dass das Microsoft-Tablet wohl vor allem im geschäftlichen Umfeld glänzen könnte. Mit einem voll funktionsfähigen Office-Paket auf einem Tablet hätte man der eher auf Unterhaltung programmierten Konkurrenz etwas entgegenzusetzen.

Dennoch wird nach Auffassung von TechCrunch-Autor Matt Burns Surface "das iPad höchstwahrscheinlich nie bei den Verkaufszahlen schlagen". Dafür werde es einen klaren Standard für HP, Dell, Lenovo, Acer und Asus & Co. setzen, die laut Microsoft ähnliche Produkte auf den Markt bringen werden. "Es zeigt dem Rest der Industrie, wie man ein Windows-8-Tablet macht", so Burns.

Microsoft will diesmal jedenfalls alles richtig machen und von der Konkurrenz lernen - auch von deren Fehlern. Google unterhält mit Android eine weitgehend offene Plattform, die von den Hardware-Herstellern teilweise bis zur Unkenntlichkeit zurechtgebogen wird. Letztlich führt dieser Weg aber zu einer verwirrenden Vielfalt von Betriebssystem-Varianten und im Extremfall zu Unverträglichkeiten zwischen Anwendungen und Hardware. Die Folge sind frustrierte Entwickler und verärgerte Nutzer. Bei Apple ist es dagegen die unauflösbare Verbindung von Hard- und Software, die Zuverlässigkeit garantiert, von vielen Anwendern aber als Zwang empfunden wird.

Sich dazwischen zu positionieren, ist Microsofts große Chance. Die damit verbundenen Aufgaben sind alles andere als trivial. Doch der Konzern muss sie meistern, wenn er im Zuge der schwindenden Bedeutung stationärer Computer nicht unter die Räder kommen will. Zwar können sich aktuellen Umfragen zufolge nur 15 Prozent der deutschen Nutzer vorstellen, zugunsten mobiler Lösungen ganz auf den PC zu verzichten. Doch das Bedürfnis, überall auf die gewohnte Arbeitsumgebung zugreifen zu können, steigt stetig.

So ist es zu erklären, dass Microsoft immer wieder betont, Surface sei ein Tablet, aber auch ein vollwertiger PC. Sollte es Microsoft schaffen, Vielseitigkeit und intuitive Bedienung, Zuverlässigkeit und größtmögliche Mobilität unter einen Hut zu bekommen, könnte dem Konzern ein großer Wurf gelingen.