Die EU sieht weiteren Verhandlunsgbedarf, Brasilien drängt auf Gesprächsabschluss. Skepsis über verbindliche Ergebnisse des Gipfels.

Rio de Janeiro/ Frankfurt a.M.. Die Verhandlungen über die Abschlusserklärung des UN-Gipfel „Rio+20“ sind in eine kritische Phase getreten. Konferenz-Gastgeber Brasilien drängte am Montagabend (Ortszeit) vehement auf einen Abschluss der Gespräche. Die Europäische Union (EU) sieht dagegen weiteren Verhandlungsbedarf. „Wir sind nicht glücklich mit dem Text“, hieß es aus der EU-Delegation. „Es scheint, als gehe es Brasilien derzeit mehr um einen vereinbarten Text als um eine Vereinbarung für einen guten Text“, sagte ein Verhandlungsteilnehmer.

Auch Umweltminister Peter Altmaier (CDU) sieht noch Spielraum für Verbesserungen und setzt sich für eine Verlängerung der Gespräche ein.

Strittig ist bislang die Passage über die von der EU geforderte Aufwertung des UN-Umweltprogramms UNEP zur vollwertigen UN-Agentur. Auch über die Themen Finanzen und Technologietransfer gibt es Unstimmigkeiten. Zudem ist unklar, ob die Deklaration klar Stellung bezieht zum langfristigen Auslaufen der Milliarden-Subventionen für fossile Brennstoffe. Zu dem am Mittwoch beginnenden Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung werden über 100 Staats- und Regierungschefs erwartet.

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Skepsis vor „Rio+20“-Konferenz – Misereor erwartet nur allgemeine Erklärungen

Vertreter von Hilfswerken haben geringe Erwartungen an den „Rio+20“-Gipfel zur nachhaltigen Entwicklung. Bei der UN-Konferenz werde „so gut wie nichts besonderes herauskommen“, sagte der Vertreter des katholischen Hilfswerks Misereor, Benjamin Luig, am Dienstag im Deutschlandradio Kultur. Eine Reihe von Staaten blockiere schlicht. Das Ergebnis der Konferenz „werden sehr allgemeine Erklärungen sein, die völlig unverbindlich sind“, sagte der Agrarexperte.

Der „Rio+20“-Gipfel beginnt am Mittwoch und endet am Freitag. Nach Angaben aus Delegationskreisen gestalten sich die Verhandlungen schwierig. Streitpunkt ist weiter die von der EU geforderte Weichenstellung in Richtung einer „Green Economy“, die auf erneuerbare Energien setzt und den Ressourcenverbrauch senkt. Viele Entwicklungs- und Schwellenländer befürchten ein neues „Diktat der Industrienationen“. An der Konferenz nehmen Vertreter von rund 190 Staaten teil.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagsausgabe): „Ich hoffe, dass die Konferenz die Notwendigkeit des Umdenkens erkennt.“ Allerdings würden die Fragen nachhaltiger Entwicklung derzeit von „jeder Menge anderer krisenhafter Entwicklungen“ überlagert. „Politiker haben die Stunde, haben die Kraft eben nur einmal“, sagte der rheinische Präses mit Verweis auf die weltweite Finanzkrise.

Misereor-Experte Luig hält die Debatte um eine „grüne Ökonomie“ für nicht ausreichend. Effizientere Technologien zu entwickeln sei zwar sinnvoll. Zur Bewältigung der globalen ökologischen Krise reiche das aber nicht aus. Der „rein technokratische Dialog“ vernachlässige das Problem ländlicher Armut.

Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) forderte unterdessen wirksame Maßnahmen gegen die weltweite Nahrungsmittelknappheit. „Weltweit durchschnittlich 40 Prozent Verlust nach der Ernte, das ist das erste, was man beenden muss“, sagte der Minister am Dienstag im Bayerischen Rundfunk.

Besonders die Menschen in Entwicklungsländern müssten geschult werden, wie Nahrungsmittel nach der Ernte haltbar gemacht werden können, sagte Niebel kurz vor seinem Abflug nach Rio de Janeiro. Nötig seien Schulungen in Lagerhaltung und Bewässerungstechniken.

Niebel leitet zusammen mit Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) die deutsche Delegation. Zum offiziellen Gipfel werden mehr als 100 Staats- und Regierungschefs in der brasilianischen Metropole erwartet. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihre Teilnahme abgesagt.