Stadt finanziert 40 Therapieplätze. 250 000 deutsche Männer wollen Sex mit Kindern

Hamburg. Nur wenige Tage nach der Ermordung der elfjährigen Lena in Emden startet in Hamburg ein Projekt, das sexuelle Übergriffe auf Kinder verhindern soll. Das Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) bietet Männern mit pädophilen Neigungen ab sofort eine Therapie an. "Das Ziel soll der Schutz von Kindern durch die Verhinderung von Missbrauch sein", sagte Institutsdirektor und Projektleiter Prof. Peer Briken. "Aus Fantasien sollen keine Taten werden." Der geständige Täter von Emden, ein 18-Jähriger, hatte seine pädophilen Neigungen bei der Polizei selbst angezeigt - doch die Behörden griffen nicht ein.

Das jetzt in Hamburg gestartete Projekt, das vorerst 40 ambulante Therapieplätze zur Verfügung stellt, gehört zum bundesweiten Netzwerk "Kein Täter werden", dessen Aufbau 2005 an der Berliner Charité begann. "Dort haben sich seitdem 1600 Männer gemeldet, 600 kamen zur Diagnostik, mehr als 300 haben wir einen Therapieplatz angeboten", sagte Prof. Klaus Beier, Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité und Sprecher des Netzwerks. Wegen zahlloser Anfragen aus ganz Deutschland gibt es diese Therapieangebote mittlerweile auch in Kiel, Hannover, Regensburg und Leipzig.

Wer an dem UKE-Programm teilnehmen will, muss von sich aus den Wunsch nach therapeutischer Hilfe haben, ohne den Druck eines Gerichts. Die Behandlung findet wöchentlich in Einzel- oder Gruppensitzungen statt und dauert ein bis zwei Jahre. Wichtig sei, den Betroffenen einen einfachen Zugang zu dem Hilfsangebot zu ermöglichen, sagte Prof. Peer Briken. "Die Betroffenen haben große Angst vor Ablehnung, sozialer Ächtung und Weitergabe von Informationen an die Krankenkassen." Deshalb sei es auch wichtig, dass die Behandlung unter Wahrung der Schweigepflicht stattfinde. Es gebe auch keine Verbindung zu den Krankenkassen oder zum Justizsystem.

Das UKE-Projekt wird von der Hamburger Justizbehörde mit zunächst 100 000 Euro finanziert, die weitere Förderung wird überprüft. "Unsere Aufgabe ist es, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Sexualstraftaten an Kindern zu verhindern", sagte Ralf Kleindieck, Staatsrat der Hamburger Behörde für Justiz und Gleichstellung. Er betonte aber auch, dass das Projekt eine Strafverfolgung nicht ersetzen solle. Allein im vergangenen Jahr gab es laut polizeilicher Kriminalstatistik in Hamburg 230 Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch. Insgesamt dürften 250 000 deutsche Männer pädophile Neigungen haben.

Auch das Kinderschutzzentrum Hamburg unterstützt das UKE-Projekt. "Wir sehen 50 bis 70 Familien im Jahr, in denen sexueller Missbrauch stattfindet oder vermutet wird, und müssen dann eine sorgfältige Abklärung vornehmen", sagte Diplom-Psychologe Klaus Machlitt vom Kinderschutzzentrum. Das neue Projekt sei auch wichtig aus der Perspektive betroffener Kinder und Angehöriger.

Ähnlich äußerte sich die Opferhilfsorganisation Weißer Ring. "Wir begrüßen alles, was helfen kann, Straftaten zu verhindern", sagte Veit Schiemann von der Bundesgeschäftsstelle der Organisation in Mainz.