Greenpeace-Team kehrt von Messfahrt zur havarierten Plattform “Elgin“ mit Wasser- und Luftproben nach Cuxhaven zurück. Was treibt dort im Meer?

Hamburg/Cuxhaven. Regen, grauer Himmel, Sturm und Wellen - die Messfahrt zur havarierten Nordseeplattform "Elgin" östlich von Schottland ist für den Greenpeace-Chemiker Manfred Santen und seine Kollegen kein Vergnügen. "Am Montag, als wir die Plattform umrundeten, hatten wir Glück. Der Himmel riss auf, es ließ sich sogar kurz die Sonne blicken. Je nach Einfallswinkel konnten wir beobachten, wie das Gas ausströmte. Wie aus einer riesigen Spraydose schießt es in Höhe der Plattform zunächst waagerecht in die Luft, bevor es sich allmählich verdünnt", schilderte Santen gestern Nachmittag seine Eindrücke von Bord des gecharterten Forschungsschiffes "Königin Juliana". Er befand sich da bereits auf der Rückfahrt. Heute morgen wollten die Umweltschützer wieder in Cuxhaven anlegen.

Im Gepäck haben sie mehrere Säcke mit jeweils zehn Liter Luft, die sie in verschiedenen Windrichtungen zum Havaristen eingesammelt haben. "Es hat in dem Gebiet oft wie auf einer Tankstelle gerochen", sagte Santen. Und das nicht nur auf der windabgewandten Seite der Plattform, sondern auch in Luv. Der vermeintlich frische Meereswind habe den Ölgeruch von anderen Bohrinseln herangetragen, so Santen: "Egal, wohin Sie schauen, Sie haben immer mindestens zwei Plattformen im Blick. Wir haben hier ein Industriegebiet im Meer."

+++Öl und Chemiebrocken nahe Nordsee-Plattform+++

+++Vershcmutzung durch Elgin betrifft Klima am stärksten+++

Die eingefangene Luft wird jetzt in einem Hamburger Labor analysiert. Es kann bis zu zehn Tage dauern, bis die Ergebnisse vorliegen. Dasselbe gilt für die Wasserproben. Trotz starken Windes und hoher Wellen habe sich das Schiff am Rande des Sperrgebietes im Umkreis von drei Seemeilen (5,5 Kilometer) rund um die Insel oft in einem dünnen Ölfilm bewegt, sagte Santen. "Das hat mich erstaunt, ich hatte erwartet, dass der Wind den Film zerstört hat." Eine zweite Überraschung waren ein bis drei Zentimeter große gelbe, wachsartige Flocken, die an der Wasseroberfläche treiben. Santen: "Wir haben etwas davon erwärmt. Es verflüssigte sich und roch auch nach Tankstelle."

Der Greenpeace-Ingenieur Thomas Zimmermann versuchte, dem Gas mit einer Infrarotkamera auf die Spur zu kommen. Sie war bereits am vergangenen Donnerstag im Einsatz, als Greenpeace-Mitarbeiter das Gebiet überflogen. Auf den Aufnahmen war die Gaswolke deutlich zu sehen. Die neuen Aufnahmen zeigen verschiedene Grautöne, die auf unterschiedlich hohe Gaskonzentrationen hindeuten. Die genauen Daten müssen noch errechnet werden. Zimmermann hält es für wahrscheinlich, dass täglich mehr als die 200 000 Kubikmeter Gas ausströmen, die der "Elgin"-Betreiber Total angibt.

Nachdem am Sonnabend, knapp eine Woche nach Auftreten des Lecks, die Gasfackel von selbst erloschen und damit die akute Explosionsgefahr gebannt war, bereitet sich der französische Öl- und Gaskonzern jetzt darauf vor, das Bohrloch zu verschließen. Er will es zunächst vorübergehend mit schwerem Schlamm verstopfen und anschließend mithilfe von zwei Entlastungsbohrungen dauerhaft versiegeln.

Um das Förderrohr mit Schlamm zu verschließen, muss Personal auf die Plattform gebracht werden können. Unter welchen Bedingungen dies geschehen kann, erarbeitet Total in Zusammenarbeit mit der britischen Gesundheits- und Sicherheitsbehörde HSE. Gewerkschaftler warnen: "Das Ganze müsste perfekt ausgeführt werden. Ein herunterfallender Hammer könnte das Gas zur Explosion bringen", sagte ein Arbeitnehmervertreter der Nachrichtenagentur Reuters.

Für die Entlastungsbohrungen sind zwei Anlagen eingeplant: "Rowan Gorilla V" arbeitet im benachbarten West Franklin-Feld, "Sedco 714" derzeit noch 400 Kilometer nördlich vom Unfallort. Die gesamte Operation könnte, so schätzen Experten, sechs Monate dauern, und die Kosten könnten in die Milliarden gehen.

Wenn alles gut geht, bliebe der Nordsee und dem Klima eine weitere menschengemachte Methanquelle erspart. Rund 140 Kilometer vor der schottischen Küste sprudelt das Gas bereits seit gut 20 Jahren aus dem Meeresboden: 1990 bohrte dort Mobil Oil (heute ExxonMobil) nach Öl - und traf auf Gas. Es kam zu einer Explosion. Seitdem steigt dort geschätzt täglich um die 85 000 Kubikmeter Methan auf.

Eine Bildergalerie zum Greenpeace-Einsatz: www.abendblatt.de/koenigin-juliana