Bei Arbeiten für die Nordeuropäische Erdgasleitung kam eine Siedlung aus der römischen Kaiserzeit zum Vorschein. Alter: ca. 300 nach Christus.

Eckel. Oberflächliche Beobachter sehen auf einem Acker bei Eckel im Landkreis Harburg nur eine große Abraumhalde mit aufgeworfenen Erdhügeln. Für den Archäologen Bernd Rasink ist es dagegen eine sensationelle Grabungsstätte. "Wir haben eine germanische Siedlung aus der römischen Kaiserzeit, etwa 300 nach Christus, entdeckt", sagt er stolz und zeigt auf den etwa 30 Meter breiten und 200 Meter langen Bereich.

Rasink koordiniert ein auch im europäischen Maßstab spektakuläres Projekt für Niedersachsen: Im Rahmen des 440 Kilometer langen Pipelinebaus für die Nordeuropäische Erdgasleitung (NEL) kümmert er sich um all jene Fundstellen, die sich in den Landkreisen Lüneburg, Harburg, Rotenburg, Verden und Diepholz befinden. Hunderte bunte Marker zeigen die Fundstellen an. Rasink: "Als der Grabungsfirma die Fähnchen ausgingen, haben sie Plastiketiketten genommen, so zahlreich sind die Funde."

Selten haben die Archäologen die Gelegenheit, eine komplette Siedlung auszugraben. Rasink: "Sonst haben wir es häufig mit Baustellenarealen und dementsprechend kleinen Ausschnitten zu tun." Seit 2010 wird im Zuge von NEL gegraben und geforscht - jeweils bevor die Bagger für den Rohrleitungsbau anrücken. Sechs Grabungsfirmen mit zeitweise mehr als 100 Mitarbeitern sind auf einer Fläche von sieben Quadratkilometern unterwegs.

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Rasink deutet mit seiner Schuhspitze auf eine Reihe brauner, regelmäßig angeordneter Flecken im Boden. "Das war wohl einmal ein Speicherhaus", sagt er. Die dunklen Ovale markieren die Reste der Holzpfosten des Gebäudes, das wahrscheinlich zur Getreidelagerung genutzt worden war.

Wenige Meter weiter liegen große Steine. Dort vermuten die Archäologen die Reste eines Brunnens. Daneben fand Grabungsleiter Jürgen Brandt Tonscherben mit Einkerbungen, "die mit den Fingerkuppen in den Ton geritzt wurden, ganz typisch für die Verzierungen von Gebrauchskeramik jener Zeit". Tief in der Erde steckt noch ein rundes Gefäß, das vorsichtig mit Spachteln und Kelle freigelegt werden muss. Daneben zeichnen sich rote Flecken ab: Überreste eines Ofens.

Ganz in der Nähe der Eckeler Grabungsstätte fanden die Archäologen ebenfalls Scherben, jedoch weitaus ältere. Es sind Teile von Gefäßen, die in der Trichterbecherkultur, im vierten Jahrtausend vor Christus angefertigt wurden. "Eine weitere Sensation, denn zum ersten Mal wird eine Siedlung aus dieser Zeit ausgegraben", sagt Jochen Brandt vom Archäologischen Museum Hamburg, der als Kreisarchäologe die Grabungen beratend begleitet.

Er ist gespannt, was die Forscher noch zutage fördern. So sei der 117 Teile umfassende Goldschatz aus der Bronzezeit, der im April 2011 bei Diepholz gefunden wurde, noch immer Tagesgespräch. "Klar, diese Preziosen haben eine faszinierende Wirkung. Doch eigentlich sind Funde, wie wir sie hier vor uns haben, genauso wertvoll, weil hier der Alltag der Menschen von vor 2000 Jahren erforscht werden kann", sagt Rasink. Außerdem sei es überraschend, dass die Fundstellen so gut erhalten sind. "Wir hatten geglaubt, dass durch die intensive Landwirtschaft viel zerstört worden ist. Im Gegenteil, Gräberfelder und Siedlungen lagen fast unberührt unter dem Pflughorizont."

Fast jeder Grabungstag biete Überraschungen, sagt Rasink. So führte ihn seine Zeitreise mit Spaten und Kelle im Gepäck auch nach Heidenau, wenige Kilometer von Eckel entfernt. Dort gruben Archäologen einen Feuerbock aus - eine Art aus Ton geformter Halter für Bratspieße aus der Zeit von 200 vor Christus. "Wir sind unter anderem auch auf Gräberfelder aus verschiedenen Epochen gestoßen. So fanden wir in einigen Urnengräbern aus der Germanenzeit Beigaben wie Bronzegefäße und Silbermünzen", sagt Rasink.

In einer weiteren germanischen Ansiedlung stießen die Wissenschaftler im Landkreis Diepholz auf Perlen aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, die vermutlich aus Ägypten stammen. Ein goldener Ring mit einer blauen Perle lag in einer Grube bei Achim. "Wir glauben, dass er 400 nach Christus in Rom angefertigt worden ist." Und dann sei da noch Nelly. So nennen die Archäologen jene Steinfigur aus der Mittelsteinzeit, 9000 Jahre vor Christus, die in der Nähe der Weser freigelegt worden war. Die Skulptur, die Darstellung einer üppigen Frau ohne Kopf und Füßen, ist die erste Frauendarstellung im norddeutschen Tiefland.

Noch bis Ende April nehmen sich die Archäologen Zeit, die Geheimnisse der Germanensiedlung bei Eckel zu lüften. "Wir betreuen entlang der Trasse 130 Fundstellen - da wartet noch viel weitere Arbeit", sagt Rasink.