Eine Ausgrabung auf einer Baustelle für einen Lidl-Markt fördert das ältestes Gebäude Maschens zutage. Eine Archäologin schätzt es auf 1200 Jahre.

Maschen. Auf der Baustelle für einen Lidl-Markt in Maschen haben Archäologen Überreste der beiden bisher ältesten Häuser des Ortes entdeckt. Das älteste Wohnhaus Maschens ist nach Angaben des Archäologischen Museums Hamburg 800 bis 900 Jahre alt. Das zweite entdeckte Gebäude könnte sogar 1200 Jahre alt sein. Maschen, heute mit mehr als 9300 Einwohnern der zweitgrößte Ort in der Gemeinde Seevetal, wurde 1294 erstmals urkundlich erwähnt.

Eine Tragödie bei den Ureinwohnern Maschens ist heute ein Glücksfall für die Archäologen: Als sicher gilt, dass das Gebäude aus dem 12. oder 13. Jahrhundert einem Brand zum Opfer gefallen ist. Die verkohlten Überreste, nur noch das Fundament ist erhalten, hätten die Lebenssituation der Bewohner konserviert, erklärt Grabungsleiterin Nina Batram. "Ein Ereignis wie eingefroren", ist die 30 Jahre alte Archäologin begeistert, "wir haben so die Möglichkeit, den Menschen von damals näher zu kommen und zu erfahren, wie sie gelebt haben."

So sind Grabungshelfer auf die älteste Küche Maschens gestoßen. Ein Gefäß, gefüllt mit verbrannten Getreidekörnern, und ein Sack mit Früchten, vermutlich Holunderbeeren, haben sie unter einem Stück Holz, eine Art altertümliches Regal, gefunden. Dazu passt eine Scherbe, die Teil eines für das Mittelalter typischen Kugeltopfes ist. "Wir gehen deshalb davon aus, dass es ein Wohnhaus war", sagt Nina Batram.

Die seltene Bauweise überrascht die Archäologen. Deshalb ist der Hausfund von Maschen wissenschaftlich so bedeutend. Das Gebäude ist in die Erde hinein gebaut worden, der Innenraum liegt einen halben Meter tief unter Bodenniveau. Derartige Grubenhäuser sind nichts Ungewöhnliches für das 12. oder 13. Jahrhundert, wohl aber die Nutzung in Maschen. Grubenhäuser waren in der Regel Werkstätten, das Raumklima eignete sich besonders gut zum Weben. Dass Menschen in diesen Häusern aber auch lebten, gilt eher als ungewöhnlich. "Eigentlich hatte man zu dieser Zeit ein Wohnhaus so nicht gebaut", sagt Nina Batram.

+++ Archäologie - Mit Laserstrahlen in die Vergangenheit +++

War der Bauherr vielleicht ein besonders kreativer Mensch, der anders sein wollte als andere? Die Antwort darauf wird Spekulation bleiben. Mit wissenschaftlichen Methoden werden Nina Batram und Kreisarchäologe Dr. Jochen Brandt aber andere Geheimnisse der Ureinwohner Maschens aufdecken. Entdeckte Getreidekörner werden Aufschluss darüber geben, was die Hausbewohner eigentlich gegessen haben. Experten werden mithilfe der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung Alter und Art des verbauten Holzes ermitteln. Bis jetzt gehen die Archäologen davon aus, dass Maschens Ureinwohner Eichenholz als Baumaterial bevorzugt haben.

Ein zweites, deutlich kleineres entdecktes Grubenhaus ist vermutlich noch älter. Grob geformte Keramik an der Fundstelle weist auf das frühe Mittelalter hin. Aus der Form der Scherben schließt Archäologin Nina Batram, dass Keramik und damit das Haus vermutlich aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammen. Etwa einen Kilometer von der Grabungsstelle entfernt liegt ein sächsisches Gräberfeld aus dem 9. Jahrhundert. In den Überresten beider Häuser stießen die Grabungshelfer auf Haufen von Steinen. Dicke Brocken, die eindeutig nicht verbaut wurden. Einige Altertumsforscher sehen darin eine okkulte Zeremonie. Nach dieser Theorie, sagt Nina Batram, hätten die Menschen Steine in ein verbranntes Haus geworfen, um Geister darunter gefangen zu halten.

Noch etwa eine Woche haben die Archäologen Zeit, die Spuren der frühen Siedlung am Rande des Maschener Ortskerns zu sichern. Sie nehmen Holzproben, sammeln Scherben, bisher 40 bis 50 Tüten, und fotografieren. Dann wird ein Lidl-Markt die ältesten Überreste Maschens unter sich begraben. Die Discounterkette erwägt aber, einige Fundstücke in einer Vitrine, möglicherweise in der denkmalgeschützten Scheune auf dem Gelände, dauerhaft auszustellen.

Auch überraschende Funde aus dem 20. Jahrhundert haben die Archäologen gemacht: Bei den Erdarbeiten auf der Baustelle stieß ein Baggerfahrer auf insgesamt neun Gewehre aus dem Zweiten Weltkrieg. Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes Munster sammelten die stark verrotteten Waffen ein. Vermutlich hätten deutsche Soldaten kurz vor oder nach Kriegsende die Gewehre entsorgt.