3-D-Vermessungen und Rekonstruktion am Computer statt Hacke, Schaufel und Pinsel - die Arbeit von Archäologen hat sich stark verändert.

Três Minas/Hamburg. Das Licht schwindet schon nach wenigen Metern, Helmlampen weisen Britta Ramminger und ihrem Team den Weg. 140 Meter führt der Stollen durch den Fels. Tief in den Boden gegrabene Gleise erinnern daran, dass hier im ersten und zweiten Jahrhundert nach Christus die Römer tonnenweise Gestein zutage förderten, auf der Suche nach Gold. Heute nisten hier Fledermäuse.

Die künstliche Höhle ist Teil des ehemaligen Bergwerks Três Minas im Norden Portugals. Das gesamte Revier erstreckt sich über zwei Quadratkilometer, auch die Reste einer Siedlung gehören dazu. Ramminger, Professorin für Archäologie an der Uni Hamburg, erforscht seit 2010 unter anderem die Galeria dos Alargamentos, einen Trakt, über dessen Baugeschichte noch wenig bekannt ist. Mit einem Laserscanner haben die 43-Jährige und ihre Kollegen in dem Tunnel 140 Millionen Punkte gemessen und mit diesen Daten ein Computerprogramm gefüttert. Das Ergebnis ist ein dreidimensionales Modell, das die Anatomie des Stollens auf wenige Millimeter genau abbildet.

Rammingers Studien stehen beispielhaft dafür, wie sich die Arbeit von Archäologen in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat: Gingen die Forscher früher hauptsächlich mit Hacke, Schaufel, Kelle und Pinsel ins Gelände, nutzen sie heute auch eine Vielzahl elektronischer Helfer, um die Vergangenheit zu ergründen. Laserscanner erzeugen Lichtpulse, die von Objekten zurückgeworfen werden. So lassen sich hochgenau Entfernungen messen: vom Flugzeug aus, um etwa Hinweise auf ehemalige Siedlungen und Produktionsstätten zu finden, die auf Luftbildern nicht auffallen würden; auf der Erdoberfläche, um etwa Überreste von Gebäuden oder Gräber zu vermessen - und eben unter Tage.

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Britta Ramminger konnte durch die Zusammenführung der 140 Millionen Messpunkte am Computer eine virtuelle Gesamtansicht des Stollens erstellen. Dessen Struktur lässt Rückschlüsse darauf zu, wie die römischen Ingenieure beim Bau der Anlage vorgingen - wahrscheinlich anders als bisher vermutet.

Der Stollen ist an zwei Stellen mit der Außenwelt verbunden: über den Eingang im Westen und eine Ausbuchtung am anderen Ende im Osten, von der ein 120 Meter langer Förderschacht an die Oberfläche führt. Lange nahmen Archäologen an, dass die Römer den Stollen nur vom Eingang her bauten. Doch auf Rammingers dreidimensionalen Bildern zeigte sich ein Versatz, der darauf hindeutet, dass der Stollen von zwei Seiten aus gegraben wurde. "Dies zeigt, dass die Römer in möglichst kurzer Zeit möglichst effizient vorgehen wollten", erläutert Ramminger. "Zwar standen damals viele Arbeiter zur Verfügung. Doch bei einem einseitigen Vorgehen hätte auch die Vergrößerung des Bautrupps auf dem engen Raum keine wesentliche Beschleunigung bewirkt."

Die Daten des Laserscanners zeigten auch erstmals zusammenhängend Einarbeitungen im Tunnel, anhand derer sich die Bauzeit berechnen lässt. "Wir gehen davon aus, dass die Arbeiter im Tunnel pro Tag zehn bis 15 Zentimeter vorankamen. Mehr hätten sie mit den damaligen Geräten nicht schaffen können. Bei einem einseitigen Vorgehen hätte der Bau des 140 Meter langen Stollens etwa drei Jahre gedauert, doch durch das beidseitige Vorgehen haben die Römer die Bauzeit wohl auf eineinhalb Jahre verkürzt", sagt Ramminger.

Um Stollen wie die Galeria dos Alargamentos anzulegen, nutzten die Römer verschiedene Vermessungsinstrumente, etwa sogenannte Chorobates, Vorgänger von Nivelliergeräten, sowie Groma als Kombination von Lot und Fadenkreuz. Wie es den Ingenieu-ren in Três Minas mit solch einfachen Instrumenten gelang, neben dem ersten Ausgangspunkt für den Stollen, dem Eingang, den zweiten Ausgangspunkt im Inneren des Berges und dann die Baurichtung so festzulegen, dass nur geringe Korrekturen nötig waren, um sich in der Mitte zu treffen, ist den Archäologen allerdings noch ein Rätsel.

Bei der Rekonstruktion der Vergangenheit nutzen Archäologen zunehmend auch sogenannte geografische Informationssysteme. Dabei geht es darum, die dokumentierten Spuren - etwa Haushaltsgegenstände, Waffen, Grabbeigaben, Fundamente - am Computer wieder in ihrer ursprünglichen Lage zu zeigen und mit anderen Daten zu verknüpfen, etwa neuen Untersuchungsergebnissen. So bekommen die Forscher ein Problem in den Griff, das Generationen vor ihnen die Arbeit erschwerte.

"Jede Ausgrabung bedeutet auch die Zerstörung des Fundplatzes. Diese Erkenntnis zwingt die Archäologen zu einer sehr genauen Dokumentation", erläutert Karin Göbel vom Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig. "Jedes kleine Detail wird auf Plänen eingezeichnet, da man bei der Grabung nicht beurteilen kann, ob es bei der späteren Bearbeitung von Bedeutung sein könnte. In Archiven und Schreibtischschubladen lagern mittlerweile unzählige solcher Dokumente. Viele wurden bislang nicht zusammengeführt."

Solche Dokumente werden nun vielerorts gescannt. Karin Göbel erfasste mit dem geografischen Informationssystem ArcGIS die Daten der 1967 erfolgten Ausgrabung eines Gräberfeldes in Neudorf-Bornstein (Schleswig-Holstein). Mit dem daraus erstellten dreidimensionalen Modell eines Grabes konnte sie nicht nur zeigen, dass es keine steinernen Seitenwände hatte und mit einem Satteldach versehen gewesen sein muss. Sie konnte es auch in größere Zusammenhänge einordnen.

"Durch die Überführung in ein geografisches Koordinatensystem wird der Blick in die Umgebung der Gräber gelenkt", sagt Göbel. "Nicht nur die Position der Gräber zueinander, sondern ihre Lage in der damaligen Landschaft mit Siedlungen, Wegen und Kultplätzen gewinnt an Bedeutung." Moderne Höhenkarten in Verbindung mit alten Karten ermöglichten Wegstreckenanalysen, Pollendiagramme gäben Hinweise auf den möglichen Bewuchs. So lasse sich durch das Zusammenfügen der vorhandenen Puzzlesteine nach und nach eine Vorstellung von den Menschen gewinnen, die diese Gräber angelegt haben.