Daher kommt es bei Kindern schneller zu Verletzungen von Kopf und Halswirbelsäule. Dr. Philip Kunkel erklärt die Behandlung

Knochenbrüche und Verletzungen an der Wirbelsäule sind bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen, etwa 20 Kinder pro Jahr werden deswegen stationär im Altonaer Kinderkrankenhaus behandelt. Dr. Philip Kunkel ist Leitender Arzt für Pädiatrische Neurochirurgie an der Klinik.

Zusammen mit Prof. Ralf Stücker (siehe Text links) und zwei Oberärzten verantwortet er das Pädiatrische Wirbelsäulenzentrum.

Hamburger Abendblatt:

Gibt es typische Brüche bei Kindern und Jugendlichen im Bereich der Wirbelsäule?

Philip Kunkel:

Ab dem Alter von zwölf Jahren kommen vor allem Stauchungsbrüche der Brust- oder Lendenwirbelsäule vor. Dabei sinken die Wirbelkörper ein, ähnlich wie bei einer sogenannten Sinterung bei Osteoporose. Die Brüche können nach Sprüngen oder Stürzen von einem Baum oder Sportgerät auftreten, wenn das Kind auf die gestreckten Beine fällt. Im Bereich der Brustwirbelsäule müssen diese Brüche oft gar nicht extra behandelt werden, Brustbein und Rippen stabilisieren die Region von selbst. Operiert werden muss allerdings, wenn ein Stück Knochen in den Wirbelkanal ragt und dadurch eine Verletzung der Nerven des Rückenmarks droht, oder wenn der Wirbel zu sehr eingesunken ist. Ist ein Lendenwirbelkörper gebrochen, dann muss das Kind häufig ein Korsett tragen, für etwa drei Monate. Alarmzeichen bei diesen Brüchen sind unter anderem Lähmungserscheinungen, wenn Nerven beeinträchtigt werden, dann muss in der Regel operiert werden.

Andersherum gefragt: Wenn ein Kind ein taubes Gefühl in den Beinen hat oder diese nicht richtig bewegen kann - steckt dann ein Bruch dahinter?

Kunkel:

In seltenen Fällen kann es sich um einen Bandscheibenvorfall handeln, wir behandeln vielleicht zwei davon im Jahr. Laut einer chinesischen Studie scheint es so, dass die Kinder dann von einer Operation profitieren. Darüber hinaus gibt es ein seltenes Phänomen, bei dem durch einen Schlag oder Tritt auf den Rücken das Rückenmark geprellt ist. Das kommt häufiger beim Fußballspielen vor. Dann kann man auf speziellen Aufnahmen im Kernspintomogramm von Knochen und Gewebe keine Verletzung erkennen. Diese Kinder haben eine große Chance, dass die Beschwerden wieder verschwinden, meistens ist jedoch ein Reha-Aufenthalt mit Physiotherapie notwendig.

Was ist mit Knochenbrüchen an der Wirbelsäule von Kleinkindern?

Kunkel:

Bei Säuglingen und Kleinkindern ist meisten die Halswirbelsäule von Brüchen betroffen, was leider drastische Folgen wie eine Querschnittslähmung haben kann. Solche Fälle sind extrem selten, wir haben nur wenige Fälle pro Jahr wenn überhaupt, und diese Brüche kommen vor allem nach Autounfällen vor, wenn der Kopf des Kindes mit großer Geschwindigkeit nach vorne und wieder zurück schnellt. Bei Kindern zwischen drei und zehn Jahren stehen ebenfalls Brüche der Halswirbelsäule im Vordergrund. Das liegt daran, dass bei ihnen der Kopf im Vergleich zum Körper noch recht groß ist und die Nackenmuskulatur noch nicht stark ausgebildet ist. Bei manchen dieser Brüche werden Kopf und Halswirbelsäule über einen Halofixateur in die richtige Stellung gebracht, dabei wird der Kopf mit einem Ring umspannt und eine Art Brustkorsett getragen. Aber für Brüche an der Halswirbelsäule bedarf es wirklich eines schweren Unfalls, das passiert nicht einfach so, wenn ein Kind auf das Kinn fällt oder Ähnliches. Deutlich häufiger, aber viel harmloser ist ein sogenannter Schiefhals nach Stürzen oder ungeschickten Bewegungen

Worum handelt es sich beim Schiefhals?

Kunkel:

Das Kind kann den Kopf nicht mehr richtig in eine gerade Haltung zurückdrehen, weil die oberen beiden Wirbelkörper verschoben sind. Dies kann mit einer speziellen Schlinge behoben werden und die Kinder erhalten dafür muskelentspannende Medikamente. Ein Schiefhals kann aber auch andere Ursachen haben, etwa eine Entzündung des Bindegewebes am Hals oder eine Muskelverletzung, die entsprechend behandelt werden müssen.