Selbst auf glattesten Oberflächen haften Insekten mit ihrem Klebesekret. Tübinger Biologen erforschen die Wirkweise.

Schon Spiderman hat versucht die waghalsigen Kletterkünste der Spinnen zu imitieren. Auch verschiedene Insektenarten können an der Decke laufen und Fensterscheiben erklimmen. Für diese Hafteigenschaften interessiert sich ein Tübinger Biologenteam. Erforscht haben sie Käfer und Co - und dabei entdeckt: Insekten bilden spezielle Haftsekrete. Dieser Kleber, der ablösbar ist und kaum Spuren hinterlässt, soll für Mensch und Technik nutzbar gemacht werden.

Seit zwei Jahren arbeiten die Diplom-Biologen Christian Schmitt und Julius Braun unter der Leitung ihres Professors Oliver Betz am Institut für Evolution und Ökologie am Kleber-Projekt. „Es ist gar nicht so einfach, der Natur ihre Geheimnisse zu entlocken“, sagt Christian Schmitt. Es mussten zunächst geeignete Tiere gefunden werden. Als wahre Kletterkünstler stellten sich der Froschkäfer aus Thailand, die Wüstenheuschrecke und die Madagaskar-Fauchschabe heraus.

Auch zwei als Totengräber bezeichnete Käferarten werden erforscht. Mit Hilfe ihrer klebrigen Fußsohlen können diese Tiere unterschiedliche Oberflächen erklimmen, etwa glatte und nasse Blätter. Außerdem löst sich dieser Kleber nahezu unendlich oft ab und kann wieder aufgeklebt werden.

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Noch etwas kann der Schaben- und Käfer-Kleber, der sich damit von industriell gefertigten Klebemitteln unterscheidet: Er bleibt länger flüssig, trocknet nicht so schnell aus und ist in Verbindung mit der Fußoberfläche selbstreinigend. Was man also beim Klebefilm nur erträumen kann, bietet der Biokleber. Denn zieht man den Klebefilm wieder vom Haftgrund ab, etwa Papier, dann hängen Papierfetzen am Film – fetzenfrei dagegen bleibt der Insektenkleber.

Noch ist nicht vollständig geklärt, warum die Fußsohlen der Insekten immer sauber bleiben. Möglicherweise liegt das Geheimnis in der chemischen Zusammensetzung des Klebers, sicher aber auch an der Mikrostruktur der Insektenfüßchen. Deshalb arbeitet das Biologenteam für die Analyse mit Chemikern zusammen.

Entschlüsselt ist bereits, wie Insekten zu Kletterkünstlern werden. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen, dass selbst glatte Flächen wie Glas oder Blätter kleine Unebenheiten aufweisen. Diese Rillen und Tiefen werden durch das Klebesekret der Käfer ausgefüllt. Somit erreichen die Insekten eine Vergrößerung der Kontaktfläche und können ihre Klebleistung stark verbessern. Dazu tragen auch kleinste Härchen an den Sohlen bei, die sich in den Unebenheiten „festhaken“.

Und wie kommt der Käfer wieder aus der „Verleimung“ heraus? Indem die Insekten die Verbindung zwischen Härchen und Oberfläche nach und nach lösen, ähnlich wie bei einem Klettverschluss. Denn wollte der Käfer die ganze Fußfläche gleichzeitig lösen, müsste er eine ungleich größere Kraft dafür aufwenden.

Ähnlich ist der Ablauf bei Heuschrecken und Schaben. Sie haben zwar keine Haare an den Sohlen. Dafür sind ihre Sohlen jedoch weich und können sich so gut an Untergründe anpassen. „Sie schütten auch mehr Sekret aus als Käfer“, sagt Julius Braun.

Allzu groß sollten die Erwartungen an die Tübinger Forscher allerdings nicht sein: „Einen Superkleber entwickeln wir nicht“, sagt Schmitt. Auch dass man seine Bilder nun an die Wand kleben kann, ohne Spuren zu hinterlassen, bleibt eine Wunschidee. „Es wird ein temporärer Kleber sein. Die Bilder würden bald wieder abfallen“, sagt Braun.

Denkbar sei dagegen ein Einsatz im medizinischen Bereich: etwa als Wundpflaster, das oberflächliche Hautverletzungen abdeckt und eine gute Voraussetzungen für die Wundheilung biete. Der Insektenkleber könnte auch bei der Herstellung von Mikrochips bald eine Rolle spielen, sagen die Biologen. Die Hafteigenschaften seien optimal, damit Roboter die Chips aufnehmen und zum nächsten Arbeitsprozess weiterleiten könnten.