Computerspiele können auch positive Wirkung haben. Allerdings rät Prof. Rainer Thomasius Eltern, die Dauer und den Zugang zum Internet zu kontrollieren

Wie wichtig sind Computerspiele und Internet für Kinder und Jugendliche? Was sind die Gefahren? Darüber sprach das Abendblatt mit Prof. Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE).

Hamburger Abendblatt:

Welche Rolle spielen neue Medien im Alltag von Kindern?

Prof. Rainer Thomasius:

In der letzten Kim-Studie, die regelmäßig den Stellenwert von Medien im Alltag von Kindern untersucht, zeigen sich besorgniserregende Ergebnisse. Danach nutzen bereits acht Prozent der Sechs- bis Siebenjährigen täglich den Computer. In dieser Altersgruppe nimmt auch die Internetnutzung stark zu, von 18 Prozent im Jahr 2008 auf 25 Prozent im Jahr 2010. Der Anteil der Sechs- bis 13-Jährigen, die soziale Netzwerke nutzen, stieg von 16 Prozent 2008 auf 43 Prozent 2010. Nur 22 Prozent der Kinder geben an, dass sie beim Surfen eine Kindersicherung vorfinden. Wenn sie im Internet etwas recherchieren, nutzen sie Google und Yahoo und kaum Kindersuchmaschinen.

Können Computerspiele sich positiv auswirken?

Thomasius:

Sie können Konzentration und Aufmerksamkeit fördern und die Reaktionen auf audiovisuelle Reize schärfen, sodass man diese Spiele nicht völlig verdammen darf.

Welche Risiken sind mit diesen Spielen verbunden?

Thomasius:

Das größte Risiko ist ein übermäßiger Gebrauch. Das gilt besonders für Rollenspiele. Viele davon haben eine hohe Spielbindung. Das wird zum einen dadurch erreicht, dass monatlich Gebühren anfallen. Zum anderen eignen sich die Spieler im Verlaufe des Spiels Fähigkeiten wie Macht und Stärke an und gehen soziale Beziehungen ein, die bei längeren Pausen verloren gehen können.

Wer ist besonders gefährdet?

Thomasius:

Angesprochen von solchen Rollenspielen fühlen sich vor allem Jungen, die schüchtern sind, selbstunsicher und ein schlechtes Selbstwertgefühl haben. Im Rollenspiel können sie der ohnmächtigen Außenseiterposition ihres Alltags entfliehen und in eine überlegene Rolle schlüpfen. Das ist ein wichtiger Faktor, der zum übersteigerten Gebrauch beitragen kann. Häufig fallen diese Jungen auch durch gestörte Regulation von Nähe und Distanz auf. Für solche Einzelgänger sind diese Spiele sehr attraktiv, denn sie können sich per Knopfdruck anderen Spielern nähern und sich genauso schnell aus der Bindung zurückziehen.

Was sind die ersten Anzeichen von ungesunder Computernutzung?

Thomasius:

Es kommt zu Konflikten in der Familie über Nutzungsdauer und -inhalte. Die schulischen Leistungen werden schlechter, andere Hobbys und soziale Kontakte vernachlässigt. Wenn das Kind bei Sperren des Internetzugangs eine sehr starke innere Unruhe, Anspannung und Aggressivität zeigt, kann man das schon als Entzugserscheinung bezeichnen und als starkes Alarmsignal. Schließlich gehen die Kinder nicht mehr zur Schule, vernachlässigen ihre Körperpflege, und in Extremfällen spielen sie bis in die Nacht und schlafen am Tage.

Welche Regeln sollten Eltern aufstellen?

Thomasius:

Vorm zwölften Geburtstag sollte kein PC im Kinderzimmer stehen und nicht ohne Aufsicht der Eltern gespielt werden. Ab zwölf Jahren können die Kinder allein maximal eine Stunde am Tag im Internet spielen, nebst den Hausaufgaben. Dabei sollten Eltern durch Kindersicherungen festlegen, welche Seiten die Kinder besuchen können, und den Zugang zu Kindersuchmaschinen ermöglichen. Der PC sollte an einem Ort stehen, der für die Familie einsehbar ist. Es sollte ein Wochenplan für Online-Sitzungen erstellt werden.

Wann brauchen Kinder professionelle Hilfe?

Thomasius:

Wenn die Alarmsignale sich häufen und Konflikte um Nutzungsdauer und Inhalte das Familiengeschehen bestimmen. Eltern sollten sich Medienkompetenz aneignen, durch Kurse an der Volkshochschule oder Informationen durch Erziehungsberatungsstellen.