Ein Antibiotikum kommt infrage, sagt Frank Ahrens, wenn Beschwerden zunächst besser und nach einigen Tagen schlimmer werden

Antibiotika töten Bakterien ab oder verhindern ihre Vermehrung. Wann Kinder bei Infekten der Atemwege oder Ohren ein Antibiotikum bekommen sollten und wann nicht, erklärt Oberarzt Dr. Frank Ahrens vom Altonaer Kinderkrankenhaus.

Hamburger Abendblatt:

Sie sind Spezialist für Lungen- und Atemwegserkrankungen bei Kindern. Erhalten Kinder aus Ihrer Sicht zu viele oder zu wenige Antibiotika bei Erkältungsinfekten?

Frank Ahrens:

Es kommt beides vor: Manche Eltern fordern aus Angst vor Komplikationen sehr schnell ein Antibiotikum für ihr Kind ein. Vielleicht auch, weil sie beruflich sehr eingespannt sind und das Kind in den Kindergarten oder in die Schule gehen soll. Andere Eltern lehnen Antibiotika möglicherweise ab. Die Gründe sind unterschiedlich: Sei es aus Bedenken über Nebenwirkungen wie Magen-Darm-Beschwerden, die Sorge um Resistenzentwicklungen oder weil sie der Auffassung sind, dass das Immunsystem des Kindes selbst mit der Erkrankung fertigwerden sollte.

Wann sollten Antibiotika aus Ihrer Sicht also eingesetzt werden, und bei welchen Erregern und Krankheiten helfen sie?

Ahrens:

Das Gros der klassischen Erkältungskrankheiten oder grippalen Infekte mit Schnupfen, Husten, Halsschmerzen ist durch Viren bedingt. Da helfen Antibiotika zunächst einmal nicht, sie richten sich ja gegen Bakterien. Als Faustregel kann man sagen, dass bei zehn Prozent der Fälle Komplikationen auftreten, beispielsweise weil sich auf den viralen Infekt noch Bakterien draufsetzen. Das trifft besonders für Grippeviren zu. Aufmerksam sollte man werden, wenn sich die Beschwerden bei einem Kind erst bessern und dann nach einigen Tagen noch einmal schlimmer werden. Dann ist gegebenenfalls zu einem Antibiotikum zu raten. Krankheiten wie Scharlach und eine Streptokokkenangina sowie Keuchhusten im frühen Stadium sind klassische Fälle für ein Antibiotikum. Aufpassen muss man auch bei Kindern, die eine chronische Lungenerkrankung haben, da sollte man eher zum Antibiotikum greifen.

Wie können Eltern und Kinderärzte erkennen, ob ein viraler oder ein bakterieller Infekt vorliegt?

Ahrens:

Ein erfahrener Kinderarzt hat meist bestimmte Keime im Verdacht, die für die jeweiligen Altersgruppen oder Symptome infrage kommen können. Sicherheit können nur Laboruntersuchungen liefern. Dafür werden Abstriche aus Nasen oder Rachen entnommen. Eine genaue Kenntnis des Krankheitserregers hilft dabei, das richtige Antibiotikum auszusuchen, denn die verschiedenen Mittel wirken nicht bei allen Bakterien gleich gut. Auch wegen der zunehmenden Resistenzen der Bakterien sollte man möglichst das passende Medikament einsetzen.

Aber solch ein Abstrich wird doch nicht bei jeder Erkältungskrankheit gemacht?

Ahrens:

Das ist richtig. Es geht vor allem um die schweren, komplizierten Verläufe, die vielleicht auch im Krankenhaus behandelt werden müssen. Wie komplizierte Lungenentzündungen, Mittelohrentzündungen mit Komplikationen und so weiter. In Laboren kann gezielt nach bestimmten Erregern gesucht werden. Einen Hinweis auf etwa 20 Erreger auf einen Rutsch bietet die Multiplex-PCR, die in speziellen Laboren oder der Kinderklinik durchgeführt werden kann. Das ist aber auch eine Kostenfrage: Sie ist etwa zehnmal so teuer wie eine Flasche Antibiotikum, bewährt sich aber in vielen Fällen.

Wenn ein Kind nun ein Antibiotikum bekommt - was sollten Eltern beachten?

Ahrens:

Sie sollten sich genau an die Anweisungen des Arztes und an die Packungshinweise halten und die empfohlene Behandlungsdauer auf jeden Fall einhalten. Bei Penicillin sind das meist zehn Tage, bei Cephalosporinen und anderen Antibiotika teils weniger. Oft verbessern sich die Symptome bei den Kindern sehr schnell, und sie wollen dann den Saft nicht weiternehmen. Ein zu schnelles Absetzen kann zu einem Wiederaufflammen des Infekts und zur Entwicklung von Resistenzen der Bakterien führen, weil diese noch nicht alle abgetötet sind.