15 Millionen Tonnen werden in der Niederlausitz in einer Tiefe von 2.800 Metern vermutet. Mit Testbohrungen soll im Herbst begonnen werden.

Goyatz/Cottbus. Seit einigen Jahren streifen Ölsucher durch Ostdeutschland. Spezialisierte Ingenieurbüros machen sich auf, um Lagerstätten von der Ostseeküste bis ins südliche Brandenburg aufzuspüren, deren Ausbeutung gerade angesichts steigender Energiepreise attraktiv sein könnte. Jetzt verbreitete sich die Nachricht von einem großen Ölfund in der Niederlausitz, nicht weit entfernt von der Stadt Goyatz.

Der Fund könnte die größte von mehreren potenziellen Lagerstätten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sein - wenn die durch seismische Messungen entdeckten Bodenstrukturen in rund 2800 Meter Tiefe tatsächlich mit Öl gefüllt sind. Darauf hofft die deutsch-kanadische Firma Central European Petroleum GmbH (CEP). Die Projektentwickler haben noch andere heiße Eisen im Feuer: Sie machten bereits unter anderem auf der Insel Usedom, vor der Halbinsel Darß-Zingst und zwischen Rostock und Stralsund Testbohrungen.

Das 2008 gegründete Unternehmen hat sich vorgenommen, den weißen Fleck auf der Karte der Erdöllagerstätten, der zu DDR-Zeiten mangels zugänglicher Daten entstanden war, nach lohnenden Ressourcen zu erforschen. Auf mehr als 5700 Quadratkilometern "Aufsuchungserlaubnisfeldern" kann das Unternehmen nun nach dem schwarzen Gold gründeln.

Zunächst war ein CEP-Team kreuz und quer durch Ostdeutschland gefahren, um Kenntnisse über mögliche Vorkommen und ehemalige Förderaktivitäten zu erhalten. Die Recherche führte das Team in Universitäten und Bibliotheken, aber auch über Land, auf der Suche nach Zeugen einer vergangenen Ölgewinnung - vom eingezäunten Gelände mit alten Plattenwegen und Beton-Fundament, das auf Förderaktivitäten hindeutet, bis zu einem Teppichklopfgerüst auf einem Bauernhof, das aus ehemaligem Bohrgestänge bestand.

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Inzwischen investierte CEP nach eigenen Angaben bereits mehr als 40 Millionen Euro in die Erkundung des ostdeutschen Untergrundes. Ergebnis: Nur für Mecklenburg-Vorpommern prognostizierte das Unternehmen im Sommer 2011 gewinnbare Erdölvorkommen von rund 18 Millionen Tonnen. Der damalige Wirtschaftsminister des Landes, Jürgen Seidel, der zu der Zeit die Testbohrung auf Usedom besuchte, hoffte auf "jährliche Förderabgaben in mehrfacher Millionenhöhe".

Die Testbohrungen wurden über den Winter unterbrochen und sollen jetzt im Frühjahr wieder aufgenommen werden. Sie stoßen nicht nur auf Gegenliebe. "Wo gebohrt werden soll, ist Überschwemmungsgebiet. Wo landet das Öl, wenn hier ,Land unter' ist?", fragte Fred Fischer. Er ist ehrenamtlicher Bürgermeister des Ortes Pudagla, in dessen unmittelbarer Nähe der 53 Meter hohe Bohrturm errichtet worden war, genau am Fuß- und Radweg zu den Seebädern und damit im Blickfeld der Touristen. Doch Fischer fürchtet nicht nur den Anblick von Bohrtürmen, sondern auch den Abtransport des geförderten Öls per Tankwagen oder -schiff. Auch die Ölsuche in der Ostsee stößt, ähnlich wie die in der Nordsee, auf Widerstand. Sie finde "mitten in einem Schweinswalgebiet" statt, kritisiert die Greenpeace-Gruppe Greifswald-Stralsund. Zudem liege das betroffene Seegebiet an der Kadetrinne. Sie ist ein Nadelöhr der Schifffahrt und wichtig für den Wasseraustausch zwischen Nord- und Ostsee. Das potenzielle Ölvorkommen in Brandenburg stellt die bisherigen ostdeutschen Funde in den Schatten. "Nach Auswertung der Messprogramme erwarten wir in der Niederlausitz eine Ressourcenmenge von 15 Millionen Tonnen, von denen bis zu fünf Millionen Tonnen förderbar sein könnten", sagt CEP-Projektleiter Thomas Schröter der Nachrichtenagentur dpa. "Das wäre eine Sensation", so Schröter.

Doch noch ist es nicht so weit. Denn unter dem Begriff "Ressourcen" verstehen die Fachleute Mengen, die möglicherweise vorhanden sind - ob dort auch nur annährend so viel Öl liegt und wie viel davon technisch zu fördern ist, müssen weitere Untersuchungen, vor allem Testbohrungen, erst noch zeigen. Deshalb schränkt Schröter ein: "Im weltweiten Durchschnitt sind trotz der Wissenschaft nur etwa 15 Prozent aller Suchbohrungen erfolgreich."

Die Böden in Brandenburg sind zwar sandig, aber nicht mit der Wüste Saudi-Arabiens vergleichbar, erst recht nicht, was ihren Ölreichtum angeht. Dr. Klaus Freytag, Präsident des Landesamts für Bergbau, Geologie und Rohstoffe Brandenburg, warnt vor Euphorie: "Wir haben hier einige Lagerstätten, sie sind klein, aber fein. Oft wurde bereits zu DDR-Zeiten Öl gefördert, jedoch wurden sie nicht komplett ausgebeutet." Er kenne zwar nicht die Produktionszahlen der DDR, doch in Zeiten der Wende war die Ölförderung eher verschwindend gering. "Hier mag es in Zukunft das eine oder andere Nischenprojekt geben. Eine Landschaft voller Bohrtürme sehe ich aber nicht."

Brandenburg werde weiterhin kaum eine Rolle in der deutschen Ölförderung spielen, betont Freytag. So sieht es auch Jürgen Meßner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe in Hannover: "Größere Öllagerstätten an Land liegen im Emsland und im westlichen Niedersächsischen Becken. Ostdeutschland ist nicht bekannt für große Vorkommen."

Den größten Ölschatz birgt das Wattenmeer: Das "Riesenfeld" (so die Aussage Meßners) Mittelplate habe einen Umfang in der Größenordnung von 30 Millionen Tonnen; aus ihm werde mit Abstand der größte Anteil des in Deutschland geförderten Öls gewonnen (Fördermenge 2010: bundesweit 2,5 Millionen Tonnen). Erst kürzlich sei überraschend im Oberrheingraben eine größere Lagerstätte entdeckt worden, die Lausitz sei dagegen "nicht der erste Kandidat für solche Erwartungen".

Dessen ungeachtet will CEP das neue Vorkommen nun näher erkunden, mit einer Probebohrung unweit von Goyatz (Kreis Dahme-Spreewald). "Wir wollen im Herbst damit beginnen, eine Bohrung bis in 2800 Meter Tiefe niederzubringen", kündigte Schröter an. "Wir sind optimistisch, fündig zu werden, weil dort bereits von den 1960er- bis in die 1990er-Jahre Erdöl aus mehreren Bohrlöchern gefördert wurde."