Forscher arbeiten an einem Projekt, mit dem die schwankende Energieproduktion in Solar- und Windanlagen ausgeglichen werden soll.

Hamburg. Intelligente Stromnetze, sogenannte Smart Grids, und der Ausbau der Übertragungsleitungen sind die beiden Grundsteine für eine umfangreiche Nutzung der Solar- und Windenergie. Während der Leitungsbau "nur" die Verbindung von Stromerzeugung (etwa in Meereswindparks) zu den Verbrauchern herstellen soll, müssen die intelligenten Netze echte Feinarbeit leisten: Es gilt, den unstetig anfallenden Strom mit dem ebenfalls schwankenden Verbrauch in Gleichklang zu bringen. Forscher der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) wollen im Projekt Smart Power Hamburg exemplarisch vorführen, wie ein solches Lastmanagement in der Realität funktioniert.

Um das Stromnetz nicht, wie bisher, nur durch die Erzeuger steuern zu können, sondern auch mithilfe der Verbraucher, muss deren sogenannte Lastkurve bekannt sein. Sie zeigt an, wann wie viel Strom abgenommen wird. Überall dort, wo sich diese Kurve flexibel gestalten lässt, gibt es ein Potenzial, die Nachfrage an das jeweilige Stromangebot anzupassen.

"Im Projekt Smart Power wollen wir Großverbraucher einbeziehen, für die wir das Lastmanagement in einem Vorgängerprojekt bereits erfolgreich am Computer simuliert haben", sagt Prof. Franz Schubert, Leiter des Departments Informations- und Elektrotechnik der HAW. "Die wichtigsten sind die Universität Hamburg, die HAW, der Großmarkt und der Autobahnelbtunnel." Sie können einen Teil ihres Strombedarfs genau dann abrufen, wenn reichlich Strom ins Netz gespeist wird. Dann laufen zum Beispiel Lüftungs- und Klimaanlagen in Büros auf Hochtouren. Dagegen werden sie bei Strommangel heruntergeregelt (ohne dass die Luftqualität sinkt). Kühlhäuser, und später vielleicht Haushaltskühlschränke können je nach Netzsituation mal mehr, mal weniger stark kühlen, denn ihre Dämmung sorgt dafür, dass die Temperatur kaum schwankt. Eine Besonderheit ist die Lüfteranlage des Elbtunnels. Im Normalbetrieb laufen die Ventilatoren mit zwei Megawatt Leistung, im Brandfall können sie so stark hochgefahren werden, dass sie zehn Megawatt aufnehmen.

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Wird zu viel Strom gebraucht, werden einzelne Anlagen auf Diät gesetzt, ihre Leistungsaufnahme wird reduziert oder sie werden ganz vom Stromnetz genommen. Das kann im Fall von Lüftungssystemen nur in sehr kurzen Zeiträumen geschehen, bei Kühlanlagen und Ähnlichem auch für längere Zeit. Wenn dieses Potenzial nicht ausreicht, um die auftretende Stromlücke zu füllen, kommen Blockheizkraftwerke (BHKW) ins Spiel. "Wir wollen dazu etwa ein Dutzend BHKW nutzen", sagt Hans Schäfers, der das Projekt an der HAW leitet. "Sie können den fehlenden Strom produzieren. Da sie dann aber gleichzeitig viel Wärme produzieren, haben wir Wärmespeicher in das System integriert. Die Überschusswärme kann in (Fern-)Wärmenetze oder in Wärmespeicher (z. B. im Energiebunker in Wilhelmsburg) eingespeist werden. Gut geeignet sind auch Schwimmbäder. Sie können ihre Wassertemperaturen leicht erhöhen, wenn gerade viel Wärme zur Verfügung steht."

Die Energietechnikexperten der HAW sammelten die Daten und entwickeln gemeinsam mit den Partnern das Konzept des Stromverbundes. Die Umsetzung liegt federführend beim städtischen Versorger Hamburg Energie. Er ist derzeit im Gespräch mit den anvisierten Großverbrauchern und soll auch die BHKW betreiben. Die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH) hat neben der Konzeption vor allem die Aufgabe, juristische Details zu klären, etwa die Vertragsgestaltung zwischen dem Betreiber eines intelligenten Netzes und den integrierten Energieverbrauchern, -erzeugern und -speichern.

Derzeit sei das Netz noch nicht fertig geknüpft, so Schubert. Doch die Projektteilnehmer hätten sich das Ziel gesetzt, 2013 den Probebetrieb zu starten. Er betont, dass das Konzept generell offen sei für weitere große Stromverbraucher und BHKW - je größer die Beteiligung, desto mehr Potenzial besteht, um Schwankungen auszugleichen.

Damit die erneuerbaren Energien die konventionellen Kraftwerke im großen Maßstab ersetzen können, werden viele Smart Grids gebraucht. Das Hamburger Pilotprojekt kann also nur ein Anfang sein. Deshalb schauen sich die HAW-Forscher nach weiteren potenziellen Teilnehmern um. Schäfers: "Allein die Lüftungs- und Klimaanlagen der Stadt haben einen Strombedarf in der Größenordnung von 200 Megawatt. Etwa zehn Prozent wären wirtschaftlich sinnvoll, in ein intelligentes Netz zu integrieren. Noch größere Potenziale ließen sich vermutlich bei Industrieanlagen wie den Aluminiumwerken oder der Kupferhütte Aurubis erschließen. Erste Firmen sind angetreten, Verlagerungspotenziale zu ermitteln und ihnen einen Marktzugang zu verschaffen."

Die Stromkunden dienen nicht nur als Puffer, sie profitieren selbst durch niedrige Preise von ihrer Flexibilität. Denn sie kaufen die Energie in Zeiten ein, wenn viel davon zur Verfügung steht und der Preis im Keller ist. Gleichzeitig vermeiden sie Strombezug bei Spitzenlast und hohem Preisniveau.

Ob und wann Haushalte jenseits von Forschungs- und Pilotprojekten an intelligente Netze angeschlossen werden, ist noch nicht absehbar. Die mehrheitliche Expertenmeinung tendiere dazu, erst einmal die großen Fische ins Netz zu bekommen, so Schäfers. Voraussetzung für eine Integration von Kühlschrank, Waschmaschine oder Wärmepumpe sind Smart Meter: Stromzähler, die den Verbrauch zeitgenau registrieren und erkennen, welche Geräte gerade Energie abzapfen.

Entsprechende Messgeräte machten dann besonders viel Sinn, wenn sie mit einem Zusatznutzen verbunden sind, betont Schäfers. Wenn im Rahmen des Smart Grids die Stromverbräuche von Hausgeräten ferngesteuert würden, seien Funktionen integrierbar, mit denen der Hauseigentümer etwa am letzten Urlaubsreisetag bereits per Smartphone die Heizung startet. Oder eine Meldung auf das Handy bekommt, wenn daheim die Alarmanlage ausgelöst wurde. Dann würden die intelligenten Netze mithilfe von intelligenter Haustechnik geknüpft.