Forscher konnten zeigen, dass ihre Berechnungen von Meeresströmungen zutreffen. Diese sind entscheidend für die Wetterentwicklung.

Hamburg. "Wir konnten zum ersten Mal eine Meeresströmung vorhersagen." Die Aussage von Jochem Marotzke vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg mag für Laien nicht sonderlich aufregend klingen. Klimaforscher aber sind begeistert. Denn diese Prognose ist nicht nur ein Durchbruch in ihrer Disziplin: "Sie zeigt auch, dass Klimavorhersagen möglich sind", freut sich Marotzke.

Bei solchen Prognosen interessieren die Forscher sich zum Beispiel dafür, ob in den nächsten Jahrzehnten in der Sahelzone eine Dürre droht, wie viele und wie starke Hurrikane die Küsten des Atlantiks verheeren könnten, ob einige Regionen Europas empfindlich abkühlen oder vielleicht andererseits in heißen, regenarmen Sommern vertrocknen könnten. Diese Entwicklungen aber hängen stark mit der thermohalinen Zirkulation zusammen. Diese wiederum ist ein gigantisches Strömungssystem, das alle Weltmeere durchzieht und das vor allem durch die Temperatur und den Salzgehalt des Wassers angetrieben wird.

Ein Teil dieser weltumspannenden Zirkulation transportiert zum Beispiel viel Wärme aus dem tropischen Atlantik nach Europa und bringt so dem Westen des Kontinents sehr milde Winter. Ohne diese in der Bevölkerung "Golfstrom" genannte Warmwasserheizung lägen die Durchschnittstemperaturen im Nordwesten Europas etwa zwei Grad niedriger als heute. Möglicherweise könnte die Klimaerwärmung diese Strömung abschwächen oder sogar abrupt unterbrechen, befürchteten einige Klimaforscher vor ein paar Jahren. Während der Rest der Welt kräftig aufheizt, würde Europa dann abkühlen oder zumindest nicht wärmer werden.

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Um eine solche Entwicklung vorherzusagen, müssten die Strömungen im Atlantik vermessen werden. Und das möglichst in verschiedenen Regionen und Tiefen. Genau das passiert seit 2004 zwischen den Bahamas und dem Atlantik südlich der Kanarischen Inseln. "Weltweit sind das die einzigen direkten Messungen für Meeresströmungen", erklärt Jochem Marotzke. Bald drängte sich die Frage auf, ob sich mit den gleichen Daten nicht nur die aktuellen, sondern auch die zukünftigen Strömungen in der gesamten Region bestimmen lassen.

Die Forscher beantworteten diese Frage mit einer "nachträglichen Vorhersage": In ihre Strömungs- und Klima-Computermodelle gaben sie die bereits ermittelten Daten für die Jahre 2004 bis 2007 ein und ließen die Rechner dann die Strömungen für die nächsten Jahre ermitteln. Nicht viel anders erstellen Meteorologen den Wetterbericht und liegen inzwischen zumindest für die Vorhersage der nächsten drei oder vier Tage damit häufig sehr gut. Die Hamburger Forscher hatten ebenfalls ein Erfolgserlebnis, ihre nachträgliche Vorhersage stimmte recht gut mit den tatsächlichen Messungen zwischen April 2004 und März 2009 überein.

Damit hatten sie also gezeigt, dass ihre Strömungsvorhersage zuverlässig funktioniert, was vorher noch niemandem gelungen war. Prompt machten sie sich an eine echte Prognose und starteten die Computer erneut, diesmal aber mit den gemessenen Strömungsdaten von 2008 bis 2011. Zumindest bis zum Jahr 2014 bleiben demnach die Strömungen relativ stabil, wenn man einmal von kurzfristigen, zum Teil recht kräftigen Schwankungen absieht.

So hat offensichtlich der auffällig kalte Winter von Dezember 2009 bis Februar 2010 eine stark verminderte Strömung im März 2010 initiiert. Das zeigen die Forscher mit ihren Modellrechnungen. Im Nachhinein entdeckten sie dieses Strömungsminimum dann auch in den gemessenen Daten und bestätigten so ihr Vorhersagemodell ein weiteres Mal.

Welche Faktoren aber beeinflussen solche Schwankungen, die nur sehr kurzfristig sind? Marotzke hat einen Verdacht: "Im Süden der Kanarischen Inseln weht der Wind parallel zur Küste Afrikas, treibt dort das Wasser an der Meeresoberfläche weg und lässt so dichteres Wasser aus der Tiefe aufsteigen." Dadurch aber verändern sich nicht nur die Dichte-Unterschiede zwischen der afrikanischen und der amerikanischen Küste, sondern auch die Strömungen. Bisher ist das aber nur eine Theorie.

Streng genommen gilt die Strömungsvorhersage nur für den Atlantik zwischen der südlichen Sahara und den Bahamas. Das aber öffnet bereits den Weg zu echten Klimavorhersagen, die in den kommenden Jahren entwickelt werden könnten: Werden die Strömungen dort stärker, entstehen auch mehr Hurrikane, die später die Karibik, Zentralamerika und den Süden Nordamerikas verwüsten können. "Schwächen sich die Strömungen dagegen ab, regnet es in der Sahelzone weniger und das Risiko von Dürren steigt", erklärt Mojib Latif, der am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel ebenfalls die Zusammenhänge zwischen Meeresströmungen und Klima untersucht.

Weil die Weltmeere nur sehr träge auf Klimaänderungen reagieren, das Wettergeschehen aber sehr stark beeinflussen, sind solche Klimaprognosen nur für längere Zeiträume möglich. Um auch für weitere Regionen solche zuverlässigen Vorhersagen zu entwickeln, müssten die Verhältnisse in allen Ozeanen erheblich besser als bisher gemessen werden. "In unseren Breiten ist das Wetter aber anders als in den Tropen einfach zu chaotisch, um zuverlässige Saison-Vorhersagen machen zu können", erklärt Mojib Latif.

Auch wenn die exakten Zusammenhänge zwischen den Strömungen am 26. Breitengrad und der Warmwasserheizung Europas noch genauer erforscht werden sollten, ist sich Jochem Marotzke sicher: "Bis 2014 wird die Warmwasserheizung Europas nicht stocken."