Shripad Mahulikar ist einer von immer mehr indischen Wissenschaftlern, die mit Deutschland kooperieren. Er bleibt für ein Jahr in Harburg.

Hamburg. Prof. Heinz Herwig ist voll des Lobes: Sein Gast sei "sehr engagiert, kreativ und vielseitig"; ein meisterhafter Theoretiker, mit dem sich philosophische Gespräche führen ließen - und der gleichzeitig immer den praktischen Nutzen wissenschaftlicher Ideen im Blick habe. Kurz: "Er ist einfach gut." Der so Gelobte sagt, er wolle seinen Horizont erweitern, seine "Unwissenheit überwinden", wie er sich ausdrückt. Er, der Spitzenforscher, der schon in 15 Ländern geforscht hat.

Shripad Mahulikar, 43, kommt aus Indien, er ist zum vierten Mal zu Gast am Institut für Thermofluiddynamik der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH). Ein Jahr lang wird der Ingenieurwissenschaftler hier Studenten unterrichten und mit Institutsleiter Herwig über Wärmeübertragung in Mikrosystemen wie Computerchips forschen. Zehn wissenschaftliche Texte haben die beiden gemeinsam veröffentlicht, seit Mahulikar 2003 erstmals in Harburg forschte.

Der Inder steht beispielhaft für die Mischung aus Bescheidenheit, Offenheit und Ehrgeiz, mit dem Forscher seines Heimatlandes im weltweiten Wettstreit der Wissenschaftsnationen an die Spitze drängen. Nicht nur in der Wirtschaft, auch in der Forschung verändert sich ja die globale Machtstruktur: Der ohnehin große Anteil Asiens an den weltweiten Forschungsausgaben, der hauptsächlich durch China, Indien und Südkorea zustande kommt, hat sich von 2002 bis 2007 von 27 auf 32 Prozent erhöht - zulasten der USA und der EU, deren Anteil gesunken ist. Der Anteil der drei Aufsteiger dürfte weiter wachsen.

Dabei bleiben die Forscher aus Fernost aber nicht unter sich: Insbesondere die Chinesen und zunehmend auch die Inder suchen verstärkt den Kontakt zu ausländischen Kollegen - besonders zu deutschen. Zwischen 2004 und 2009 entstanden etwa 13 Prozent aller internationalen Veröffentlichungen aus Indien in Kooperation mit deutschen Forschern. Deutschland kam damit als Partnerland für Indien weltweit gesehen an zweiter Stelle - nur mit US-Forschern entstanden mehr gemeinsame Arbeiten, etwa 30 Prozent.

Umgekehrt rangiert Indien als Forschungspartner für Deutschland zwar nur zwischen Platz 13 und 18; hier kommen Studien zu unterschiedlichen Angaben. Dennoch sprach Matthias Kleiner, Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), vor Kurzem bei einer Indien-Reise von einer neuen Dimension der Zusammenarbeit. Es gebe "immer mehr gemeinsame Initiativen, die zu hervorragenden Ergebnissen führen".

Wenn man den Umfang der deutsch-indischen Zusammenarbeit an der Zahl der gemeinsamen wissenschaftlichen Veröffentlichungen messen will, dann war von deutscher Seite bisher die Technische Universität Darmstadt am aktivsten, gefolgt von der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Universität Bonn. Auf indischer Seite sind das Tata Institute of Fundamental Research Mumbai und die Punjab University Chandigarh führend. Die meisten gemeinsamen Arbeiten entstanden auf dem Gebiet der Physik, gefolgt von Chemie, Genetik und Molekularbiologie. Hamburg ist in der Zusammenarbeit noch vergleichsweise wenig aktiv, dafür beherbergt die TU Harburg mit Shripad Mahulikar vom Indian Institute of Technology (IIT) in Mumbai einen der renommiertesten Gäste aus Indien.

Seine ersten drei Aufenthalte in Hamburg finanzierte der Ingenieurwissenschaftler mit Stipendien der Alexander-von-Humboldt-Stiftung; in diesem Jahr unterstützt ihn die DFG mit einer Mercator-Professur. Ihn begeistere, dass die Förderung nicht mit der Bedingung verbunden sei, ein vorher festgelegtes Soll zu erfüllen, wie es in anderen Ländern, etwa in den USA, oft üblich sei, sagt Mahulikar. "Erst die Freiheit der Forschung ermöglicht besondere Kreativität." Zusammen mit der Erfahrung und Kompetenz der Deutschen in den Ingenieurswissenschaften seien dies optimale Bedingungen für einen ausländischen Forscher. Davon profitierten auch die deutschen Gastgeber. Als Beleg führt Mahulikar die zehn Veröffentlichungen an, die er bisher mit Heinz Herwig erarbeitet hat.

Das Fachgebiet des indischen Professors, die Wärmeübertragung, genauer: die Wärmestrahlung lebt von mathematischen Formeln, die für den Laien keinen Zusammenhang mit praktischen Anwendungen erkennen lassen. Tatsächlich ist die Wärmeübertragung aber bei vielen Apparaturen, großen wie kleinen, eine elementare Größe; sie entscheidet mit darüber, wie effizient bestimmte Prozesse ablaufen. Computerchips beispielsweise sollen immer kleiner und schneller werden - doch um sie optimal zu kühlen, also die beim Betrieb entstehende Wärme abzuführen, sind neue Forschungen über die Wärmestrahlung in Mikrosystemen nötig, wie sie Mahulikar und Herwig betreiben.

Aus der Zusammenarbeit der beiden ist mittlerweile eine enge Freundschaft geworden. Herwig trifft seinen indischen Kollegen und dessen Frau, eine Physikerin, häufig privat; er war auch dabei, als die Mahulikars eine schwere Zeit durchlebten. Manali, die kleine Tochter des Paars, musste von Geburt an permanent betreut und künstlich ernährt werden, weil sie Wasser im Gehirn hatte. Es sei rührend gewesen, mit welcher Hingabe sich die Mahulikars um ihr Kind gekümmert hätten, erzählt Herwig. Manali starb mit sieben Jahren; sie wurde in Indien beigesetzt. Vor zwei Jahren brachte Mahulikars Frau Jyotsna einen Jungen auf die Welt; sie nannten ihn Manneesh. Nach dem Glauben der beiden ist ihre Tochter in Manneesh wiedergeboren worden.