Fast 60 Wildtierarten nutzen in den USA in großer Anzahl Abwassertunnel zur Unterquerung von Straßen. Das zeigen Überwachungskameras.

Frostburg. Eigentlich waren die mal größeren, mal kleineren Röhren dazu gedacht, besonders bei starken Regenfällen die Wassermassen entlang von Autobahnen zu kanalisieren und abzuleiten. Eine neue Studie der Universität von Maryland (USA) zeigt jetzt jedoch, dass die Rohre ein reichhaltiges Tierleben beherbergen. Fast 60 Tierarten konnte Prof. Ed Gates vom Appalachian Laboratory des Center for Environmental Science anhand von Aufnahmen aus Kamerafallen identifizieren. Und das allein im US-Bundesstaat Maryland.

Während oben der Verkehr dicht an dicht über einen der Highways rollt, leuchten darunter, in einer knapp einen Meter weiten Röhre, zwei Augen. Ein Waschbär watet durch das für ihn hüfttiefe Wasser. Waschbären, das ist eines der Ergebnisse von Gates Studie, sind die Hauptbenutzer der unterirdischen Systeme. "Aber ich war überrascht, wie viele andere Arten - von Vögeln über Säugetiere bis hin zu Reptilien - die Röhren ebenfalls nutzen, um den Straßenverkehr zu umgehen", sagt der Ökologe.

Kraniche, die einsam durch das Wasser staksen. Hirschkühe, die ihre Jungtiere vorsichtig durch die Röhre auf die andere Seite leiten. Amerikanische Rauchschwalben, die die Systeme sogar dazu nutzen, um darin ihre Nester zu bauen. Und Reptilien wie die Five-lined Skink, die sich im Betoneingang der Tunnel aalen und hier nach Beute suchen. All dies wurde von den 300 Infrarotkamerafallen entdeckt, die Gates und seine Mitarbeiter in den Tunnelsystemen installierten.

"Es gibt rund 6,2 Millionen Kilometer geteerte Straßen in den Vereinigten Staaten, die die Ökologie von etwa 15 bis 20 Prozent der Landfläche beeinflussen", sagt Gates. Der Verkehr auf den Straßen verändere das Wanderverhalten und die Reviere der Wildtiere und beeinflusse ihren Reproduktionserfolg ebenso wie die Fähigkeit, Feinden zu entkommen - und das alles löse Stress bei den Tieren aus, so Gates: "Die Zerteilung von Habitaten durch Straßen ist eine der einschneidendsten Formen von Lebensraumzerstörung." Wenn man mehr über die Präferenzen des Wildes bei der Nutzung der Tunnel wüsste - Rehe mögen keinen unebenen Grund, Reiher bevorzugen eine Sandschicht im Tunnel, Gauhörnchen meiden bogenförmige Röhren, so die ersten Ergebnisse der Studie -, könnte man bei dem zukünftigen Einbau der Wasserröhren den Aspekt der Wildtiernutzung berücksichtigen. So müssten nicht zusätzliche Wildtierunter- oder Überführungen geschaffen werden.